Pädagogik
Teil 12

von 12
Die Pädagogik der Adenauerzeit (12): Sexualpädagogik
Wahrheit und Lüge | Gehorsam | Erziehungsziele | Soziales Verhalten | Familienkunde | Volk, Staat und Kirche
Familiengründung | Die Ehe | Frau in der Familie | Frau in der Gesellschaft | Hausfrau | Sexualpädagogik

Die Pädagogik der Adenauerzeit

Pädagogik unter Adenauer
Erziehungslehre 1952/53
Bild: Erika Biehl

Auch die Sexualpädagogik der 50er Jahre, sofern sie überhaupt gelehrt wurde, war im Nachkriegsdeutschland von konservativen Wertvorstellungen geprägt. Erika Biehl besuchte im Schuljahr 1952/53 die Mädchenrealschule in Stuttgart. Ihr sorgfältig geführtes Heft aus dem Fach Erziehungslehre bietet uns einen unverfälschten Einlick in die Moralvorstellungen der Adenauerzeit. 

Die sexuelle Erziehung 

Eine dringende Aufgabe unserer Zeit ist, im Kind schon und erst recht im Jugendlichen Sinn und Verständnis für die Reinheit des Leibes und der Seele zu wecken und zu fördern. Hängt doch von der Keuschheit nicht bloß Gesundheit des Einzelnen, sondern Bestand und Leistungsfähigkeit des Volkes ab (die Geschichte der Völker hat das bewiesen). Einige Richtlinien zur Erziehung der Reinheit:
Ehrfurcht vor dem Leib. Die Mutter offenbart in ihrer Rede, in ihrem Tun und Lassen eine hohe Auffassung von dem Leibe als dem Werkzeug der unsterblichen Seele. Die Mutter wahrt in allem edle Natürlichkeit, fern von Prüderie und Ängstlichkeit, dringt aberstreng auf Anständigkeit beim An- und Ausziehen, beim Waschen und Baden, bei Spiel und Unterhaltung. Kein Bild, kein Wort darf die Reinheit der Kinderseele trüben. Reinlichkeitdes Körpers, Reinlichkeit in Wäsche und Kleidung, vernünftige Abhärtung sind wichtige Grundlagen für die Sauberkeit in geschlechtlicher Beziehung.

Ehrfurcht vor dem Lebensgeheimnis 

Ein Schulheft als Dokumentation 

Dieser Kurs verzichtet bewusst auf die sonst üblichen didaktischen Elemente. Stattdessen wurde das gesamte Schulheft des Faches Erziehungslehre originalgetreu abgeschrieben und an einigen wenigen Stellen orthographisch überarbeitet. 

Im Kontext der aktuellen Werte- und Erziehungsdebatte nach den Amokläufen in Erfurt, Emsdetten und Winnenden wird heute vielfach nach pädagogischen Rezepten aus der Vergangenheit gerufen. Das Schulheft gewährt einen realistischen Einblick in die pädagogischen Ziele und   Methoden der Ära Adenauer.

Zu früh und meist in verderbenbringender Form kommen gerade in unserer Zeit von der Gasse, von Spiel- und Schulkameraden Dinge an das Kind heran, für die es nicht reif ist, die Phantasie und Gefühl aufpeitschen und die Harmlosigkeit rauben. Ausschlaggebend ist auf diesem Gebiet die reine Atmosphäre im Elternhaus, die übernatürliche Einstellung der Eltern zum Geheimnis des Lebens. Die Mutter muß ihr Kind beobachten und zur rechten Zeit mit einem ruhigen Wort an das Kind herantreten und so schmutzigen Gassenaufklärungen vorbeugen. Hat die Mutter bei ihrem Kind schon irgendetwas beobachtet, was nicht mehr in Ordnung ist, dann muß sie mit Güte und Milde das Kind aufklären, um dem sinkenden, jungen Menschenkind wieder auf saubere Wege zu helfen.

Wahre Religiosität

Bewußte Willenskultur ist unbedingt notwendig zur Bewahrung der Keuschheit. Jede ernste Willensanstrengung, jedes, auch das kleinste Entsagen, jedes Verzichten stärkt den Willen zur Herrschaft über den Trieb, Kampf gegen Arbeitsscheu. Wahre Religiosität ist ein vorzügliches Mittel zur Bewahrung der Keuschheit. Rein bleiben und reif werden, das ist die schönste und schwerste Lebenskunst (Walter Flex).

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