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Auch die Sexualpädagogik der 50er Jahre, sofern sie überhaupt gelehrt wurde, war im Nachkriegsdeutschland von konservativen Wertvorstellungen geprägt. Erika Biehl besuchte im Schuljahr 1952/53 die Mädchenrealschule in Stuttgart. Ihr sorgfältig geführtes Heft aus dem Fach Erziehungslehre bietet uns einen unverfälschten Einlick in die Moralvorstellungen der Adenauerzeit.
Eine dringende Aufgabe unserer Zeit
ist, im Kind schon und erst recht im Jugendlichen Sinn und
Verständnis für die Reinheit des Leibes und der Seele
zu wecken und zu fördern. Hängt doch von der
Keuschheit nicht bloß Gesundheit des Einzelnen, sondern
Bestand und Leistungsfähigkeit des Volkes ab (die Geschichte
der Völker hat das bewiesen). Einige Richtlinien zur Erziehung
der Reinheit:
Ehrfurcht vor dem Leib. Die Mutter offenbart in ihrer Rede, in ihrem
Tun und Lassen eine hohe Auffassung von dem Leibe als dem Werkzeug der
unsterblichen Seele. Die Mutter wahrt in allem edle
Natürlichkeit, fern von Prüderie und
Ängstlichkeit, dringt aberstreng auf Anständigkeit
beim An- und Ausziehen, beim Waschen und Baden, bei Spiel und
Unterhaltung. Kein Bild, kein Wort darf die Reinheit der Kinderseele
trüben. Reinlichkeitdes Körpers, Reinlichkeit in
Wäsche und Kleidung, vernünftige Abhärtung
sind wichtige Grundlagen für die Sauberkeit in
geschlechtlicher Beziehung.
Zu früh und meist in verderbenbringender Form kommen gerade in unserer Zeit von der Gasse, von Spiel- und Schulkameraden Dinge an das Kind heran, für die es nicht reif ist, die Phantasie und Gefühl aufpeitschen und die Harmlosigkeit rauben. Ausschlaggebend ist auf diesem Gebiet die reine Atmosphäre im Elternhaus, die übernatürliche Einstellung der Eltern zum Geheimnis des Lebens. Die Mutter muß ihr Kind beobachten und zur rechten Zeit mit einem ruhigen Wort an das Kind herantreten und so schmutzigen Gassenaufklärungen vorbeugen. Hat die Mutter bei ihrem Kind schon irgendetwas beobachtet, was nicht mehr in Ordnung ist, dann muß sie mit Güte und Milde das Kind aufklären, um dem sinkenden, jungen Menschenkind wieder auf saubere Wege zu helfen.
Bewußte Willenskultur ist unbedingt notwendig zur Bewahrung der Keuschheit. Jede ernste Willensanstrengung, jedes, auch das kleinste Entsagen, jedes Verzichten stärkt den Willen zur Herrschaft über den Trieb, Kampf gegen Arbeitsscheu. Wahre Religiosität ist ein vorzügliches Mittel zur Bewahrung der Keuschheit. Rein bleiben und reif werden, das ist die schönste und schwerste Lebenskunst (Walter Flex).