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Die Pädagogik der Adenauerzeit war von konservativen Wertvorstellungen geprägt. Erika Biehl besuchte im Schuljahr 1952/53 die Mädchenrealschule in Stuttgart. Ihr sorgfältig geführtes Heft aus dem Fach Erziehungslehre bietet uns heute einen unverfälschten Einblick in die Moralvorstellungen der Adenauerzeit.
Die Erziehung zur Wahrhaftigkeit ist
eine der wichtigsten Aufgaben der Erziehertätigkeit. Das
Wahrhaftigkeitsgefühl ruht im Kind. Seine Seele ist wahr und
ohne Zwiespältigkeit (wir merken das am Rotwerden, wenn die 1.
Lüge gesagt wird).
Wahrhaftigkeit ist die Grundlage für die
ersprießliche Erziehertätigkeit. Nur wenn das Kind
offen und ehrlich ist, können die Eltern raten, helfen,
erziehen. Wo Lüge im Menschen herrscht, da ist
Charakterlosigkeit auf allen Gebieten.
Wahrhaftigkeit ist auch die Grundlage für jede wirkliche
Gemeinschaft (Familie, Arbeitsstätte, Volk und Staat). Jede
schöne Gemeinschaft beruht auf gegenseitiges Vertrauen, auf
der Ehrlichkeit des Einzelnen. Wo Lüge ist, da ist
Mißtrauen und Zerstreuung der Gemeinschaft.
Man muß 1. dem Lügen vorbeugen. Kinderlügen entstehen meistens aus Furcht vor der Strafe und aus zu reger Phantasietätigkeit. Deshalb nicht zu streng bestrafen, nämlich nicht bei Ungeschicklichkeit, oder Vergeßlichkeit, der Erzieher muß sich das Vertrauen erhalten. Phantasie nicht überwuchern lassen, das Kind an genaues Beobachten gewöhnen. sich den Hergang ganz genau erzählen lassen. Man muß 2. die Lüge ernst nehmen und und bekämpfen, besonders die erste Lüge. Nie lachen, wenn das Kind Unwahrheiten erzählt. Das Kind muß erleben, daß dieser Fehler die Eltern, die Erzieher wirklich traurig macht, es muß spüren, daß das Vertrauen erschüttert ist. Man muß 3. eindringlich belehren über das Häßliche der Lüge , über das Nachteilige des Lügens und über das Sündhafte des Lügens. Man muß 4. das beste Beispiel geben. Das Beispiel der Eltern ist ausschlaggebend.
Zunächst feststellen, ob das
Kind wirklich
gelogen hat, bewußt täuschen wollte. Dann
überlegen, ob
falsche Aussage nicht aus einer Erinnerungstäuschung, einer
Unaufmerksamkeit, einerv momentanen Übereilung entstanden ist.
Fall: Das Kind hat wirklich gelogen, es gesteht ein, dann
Anerkennung, Tapferkeit (das darf sich aber nicht wiederholen). Nun die
Quelle der Lüge erforschen, danach richtet sich die Strafe.
Phantasielüge - Nüchternen Tatsachen
gegenüberstellen.
Geltungslüge - Statt Geltung Beschämung.
Dienstlüge - Belehrung über den falschen Dienst
Notlüge - Vielleicht durch die Lüge erst recht in Not
gekommen
Boshafte Lüge - Die ganze Autorität und Strenge des
Erziehers muß hier aufgewandt werden.
Krankhaftes Lügen (Pathologie)! - Geduld, Güte,
eventuell Arzt.
Die natürliche Strafe für das Lügen ist der
zeitweilige
Entzug des Vertrauens. Die ernste Frage: Ist da wirklich wahr? trifft
das feinfühlige Kind schwer und es möchte sich um
jeden Preis
das Vertrauen wieder erringen. In nunserer Zeit ist die Erziehung zur
Wahrhaftigkeit besonders schwierig, deshalb: Wahrheit über
alles
in der Selbsterziehung.