ARCHÄOLOGIE
TEIL 8

VON 8
Griechische Töpferkunst (8): Die Keramik als Weihegeschenk
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Keramik als Weihegeschenk

Nach dem von Solon im 6. Jahrhundert. v. Chr. eingeführten Steuerklassensystem, das sich am Ertrag des Grundbesitzes orientierte, lassen sich Töpfer als Vollbürger Athens der Steuerklasse der Theten (der Tagelöhner) oder besser noch den Zeugiten (der Kleinverdiener) zuordnen. Zu ihrer Zunft kommen noch die nicht eingebürgerten Metoiken und Sklaven. Zeugnis davon legen selbst ihre Namen ab, die in den Quellen auftauchen: Nikias, Sohn des Ermokles (Patronymikon, d. h. der Name des Vaters) aus Anaflystos, Ksenofantos der Athener, Teisias der Athener oder Sikelos, Lydos, Skythes usw.

Zu dieser Zeit lässt sich eine zunehmende Handelstätigkeit beobachten, welche einerseits Horizonte für Händler erweitert, andererseits Aufträge für Keramiker vermehrt. Dabei spielt jetzt das Geld eine beachtliche Rolle, so dass auch Einwohner ohne Grundbesitz zu Reichtum gelangen können. Diese Entwicklung wurde unter anderem durch die geringen Steuerpflichten bedingt, der sich Metoiken als Nicht - Vollbürger erfreuten, und brachte Keramiker zu raschen Reichtum. Mit dieser ökonomischen Euphorie geht im 6. Jahrhundert v. Chr. eine zunehmende Qualität antiker Gefäße einher, die auf die große Nachfrage zurückzuführen ist. 

Die Autorin

Die Autorin dieses Kurses ist Diplom - Archäologin und hat im 2006 ihre Dissertation mit dem Thema "Artemis und der Weg der Frauen von ihrer Geburt bis zur Mutterschaft am Beispiel ihrer Kulte auf der Peloponnes" an der Philosophischen Fakultät I der Universität Würzburg abgegeben. Zu ihren Forschungsinteressen gehören: Griechische Heiligtümer, griechische Inschriften als Quellen zur Erforschung griechischer Religion und die soziale Stellung und das Rollenverhalten der Frau im öffentlichen und privaten Bereich im antiken Griechenland (Gender - Studies). Im Mai 2004 wurde sie mit dem DAAD-Preis der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg für hervorragende Leistung ausländischer Studierender ausgezeichnet. Sie hat an vielen Ausgrabungen in Griechenland, darunter in Pella, der Hauptstadt des Königreiches Makedonien, teilgenommen. Seit 2003 ist sie Lehrbeauftragte für das Neugriechische am Institut für Klassische Philologie an der Universität Würzburg.

Am Ende des 6. Jahrhunderts. v. Chr. erreichen die Keramiker eine höhere soziale Stellung, bedingt vorwiegend von der Prosperität, die sie zu dieser Zeit erleben. Dies lässt sich zunächst von den Preissteigerungen der Feinkeramikwaren erschließen, die kaum zu übersehen sind. Zu diesem Thema stehen uns heute einige Informationen zur Verfügung. Sie kommen meistens aus den sogenannten merkantilen Inschriften, denen wir auf den Gefäßen, und zwar auf den dem Einkäufer unsehbaren Unterseiten, begegnen. So kostete ein weißgründiger attischer Bellkrater sehr guter Qualität des ausgehenden 5. Jh. v. Chr. mit einer Höhe von 31,5 cm vier Obolen, während eine derselben Zeit attische weißgründige Pelike 37 cm hoch eine Drachme und ein Obol, d. h. sieben Obole, wert war. Auch wenn Gebrauchskeramik nicht mehr als wenige Obolen gekostet haben kann, dürfen wir uns wohl vorstellen, dass ein normaler athenischer Haushalt für schmuckloses Alltagsgeschirr doch mehrere Obolen in der Hand des Kerameus drücken müsste. Dass es sich dabei um kaum zu unterschätzende Geldsummen handelt, lässt sich vom Tageslohn eines Steinmetzes zur selben Zeit (im späteren 5. Jh. v. Chr.) bei den Bauarbeiten auf der Akropolis erschließen: Er betrug eine Drachme! Die Verkaufspreise bemalter edler Keramik im Zusammenhang mit einer großen Nachfrage erlaubten den Keramiken, schnell reich zu werden und ein nach antiken Standards erwünschtes Lebensniveau zu erreichen, wenigstens in Attika, wo mit Sicherheit die größte und beste Produktion an Feinkeramik betrieben wurde. Hier ist anzumerken, dass der größte Teil der Feinkeramik für den Export bestimmt war. 

Indizien des ökonomischen Aufschwungs, den die Töpfer zu dieser Zeit erlebten, liefern uns auch ihre auf der Akropolis aufgestellten Weihgeschenke. In Verbindung mit den Preisen der Feinkeramik ist es also nicht verwunderlich, dass die zu dieser Zeit in Athen weilenden Töpfer wie Nearchos, Euphronios, Mnesiades, Andokides zu solch einem Wohlstand gelangten, dass sie imstande waren, der Göttin Athene, der Beschützerin der Handwerker, kostspielige auf der Akropolis aufgestellte Votive als Zehnten (δεκáτην) für ihre Gewinne zu weihen. Diese Zehnten waren als Dankgabe für das von der Göttin verliehene Geschick zu verstehen, das es dem Töpfer ermöglicht hatte, zu großen Gewinnen zu kommen. Meistens sind uns die Basis- oder Pfeilerinschriften, die den Töpfer nennen, erhalten und nicht das Weihgeschenk selbst. Einen vollständigen Text liefert uns heute die Basisinschrift des von einem Töpfer namens Peikon dargebrachten Weihgeschenkes, der sich selbst in der Inschrift als Kerameus vorstellt:
Πεíκον εχσá | μενος κερα | μες δεκáτην | νéθεκεν| τθεναíαι (betend hat Peikon, der Töpfer, den Zehnen der Athene geweiht). 

Unter den Weihgaben von Töpfern auf der Akropolis fällt vor allem das Weihgeschenk des Töpfers Nearchos auf, das eine Statue des berühmten Bildhauers Antenor war, wie uns die Basisinschrift bekannt macht. Es ist hier berechtigt zu unterstreichen, dass solch ein Weihgeschenk im Auftrag eines großen Bildhauers, wie Antenor, seinem Stifter, hier dem Töpfer Nearchos, einen hoch angesehenen Status ermöglichte, vergleichbar jenem des Vollbürgers. Es fand eine Angleichung der sozialen Geltung des Töpfers mit derjenigen Geltung vornehmer Bürger statt. Große Weihgaben waren nicht mehr der Oberschicht vorbehalten. 

Für diesen Aufstieg lässt sich noch ein weiterer Beleg anschließen. Die Rede ist von Vasendarstellungen, in denen die Namen bekannter Töpfer zu gemalten Figuren aufgeschrieben wurden, die sich in Palästren, in Symposia oder beim Musikunterricht abbilden ließen. Hier ist vor allem auf den Namen des Euthymides auf einer attischen weißgründigen Hydria (heute in der Staatlicher Antikensammlung in München) und den Namen des Smikros auf einem attischen weißgründigen Stamnos, den Smikros selber, möglicherweise als Selbstdarstellung, gemalt hat (heute in Musées Royaux d’ Art et d’ Histoire in Brüssel) hinzuweisen. Ob sie die Realität widerspiegeln und uns in der Tat Selbstdarstellungen der Töpfer vor Augen führen oder nur ideale Darstellungen einer erwünschten Lebensqualität abbilden, bleibt offen. Eines ist jedoch mit Sicherheit in den Bildern herauszulesen, nämlich dass am Ende des 6. Jahrhunderts. v. Chr. die Töpferkunst und damit ihre Hauptakteure, Töpfer und Maler, eine Euphorie in ihrem Beruf erleben, die sie mit allen Mitteln zum Wort bringen: Ihren Signaturen, ihren prachtvollen Weihgeschenke und ihre qualitativ hochwertigen Produkte legen Zeugnis davon ab. Die Ergebnisse ihres Arbeitseifers und ihres Wettkampfes um die schönsten Keramiken dürfen wir  heute in den Museen als Meisterwerke bewundern.

Die griechische Töpferkunst - Kursende