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Wir haben während unseres virtuellen Umgangs mit dem Thema „Töpferkunst“ auch über die Gefahren und Risiken gehört, die mit dem Handwerk des Töpfers verbunden sind. So wird z. B. bei der Aufbereitung des Tons für seine Feinheit und Geschmeidigkeit (Plastizität) viel Aufmerksamkeit verlangt (siehe Kurs Nr. 2: ZUR HERSTELLUNG GRIECHISCHER TONGEFÄSSE). Darüber hinaus geht der Töpfer auch an die Töpferscheibe äußerst vorsichtig, besonders wenn dünnseitige Keramikwaren oder auch Gefäße mit starken Profilen, wie Trinkschalen (Kylix), hergestellt werden, bei denen es auf die Geschicklichkeit ankommt. Nicht gering waren auch die mit dem Trocknen der hergestellten Gefäße zusammenhängenden Gefahren: Erforderlich ist zuerst ein geräumiger Platz, der jedoch auch mit einem Dach versehen sein muss, damit bei plötzlichem Regen oder Wind das hergestellte Gut beschützt wird. Es darf sich übrigens nicht um einen der starken Sonne ausgesetzten Platz handeln, sonst platzt der feuchte Ton wegen der schnell zunehmenden Temperatur. Das Austrocknen eines Gefäßes ist eher ein langsamer, viel Geduld fordernder Prozess. All diese Risiken übertraf bei weitem der letzte Arbeitsgang, der Brand des Gefäßes. Zum Misslingen konnten falsches Stapeln im Ofen, rasch aufsteigende Temperatur im Ofen, mehr als erforderlich verbrauchter Brennstoff, unregulierbarer Brand oder ein von Anfang zu starker Brand führen. Viele Beispiele vom geplatzten Ton, schiefe oder allgemein defekte Gefäße kamen in Grabungen ans Licht. Sie landeten hauptsächlich in Brunnen und legen Zeugnis davon ab, dass der Töpfer viele Probleme für einen gelungen Brand zu bewältigen hatte, um sein nach all den Mühen vieler Arbeitstage hergestelltes Gut zur Vollendung zu bringen. Solche Gefahren, denen der Töpfer hilflos ausgeliefert war, wurden nach antikem Glauben der göttlichen Hand bzw. Unheil bringenden Dämonen zugeschrieben. So pflegte der Töpfer, um diese zur Besinnung zu bringen, an seinem Ofen Schreckmasken oder Amulette zu hängen.
Sie sollten die Abwehrkräfte zu Gunsten seiner Arbeit anlocken, damit er sich am Ende des gelungenen Brenngutes erfreute. Anhand der Tontäfelchen korinthischer Töpfer, welche, wie gesagt, mit Darstellungen von Töpfereien versehen waren und die ältesten archäologischen Zeugnisse über die Herstellungstechnik der Töpferkunst darstellen, dürfen wir einen antiken Keramikofen (κáμινος) mit gewisser Sicherheit rekonstruieren: Er könnte wohl auf dem Hof der Töpferei oder allgemein im Freien positioniert gewesen sein. Der Keramikofen war Schachtofen mit aufsteigender Flamme. Als Brennstoff dienten Holzkohlen und -scheite. Der antike Brennofen war zweistufig. Die obere Stufe für die zum Backen bringenden Gefäße, die untere für den Brennstoff. Zu seinen Bestandteilen gehören: Der Schürkanal, wo die Feuerung stattfand. Von hier zog die Flamme in einen leeren Platz, die „Hölle“, und über den Brennraum zum Abzugsloch, das auf der Kuppel lag. Schürkanal und Brennraum werden durch die Lochtenne, worauf das Brenngut äußerst vorsichtig gestapelt wird („Einsetzen“), getrennt. Dank der Darstellung einer am Ofen lehnenden Leiter schätzen wir, dass die Höhe des antiken Ofens bis zu 2 m betrug. Was die Länge des Brennraumes angeht, bezeugen archäologische Befunde unterschiedliche Maßstäbe. Sie sind wohl auf unterschiedliche Produktionsmaße, wie auch auf unterschiedliche Spezialisierungsbereiche im Sinne von kleinen (z. B. Salbgefäße) und großen (z. B. große Vorratsgefäße) Gefäßformen, die entsprechend kleinen oder größeren Brennraum fordern, zurückzuführen. Ein in Olympia freigelegter Töpferofen spätklassischer Zeit weist eine Lochtenne von 75 cm Durchmesser auf. Wir nehmen an, dass der Ofen kaum mehr als 1,50 m hoch gewesen sein konnte. Dagegen waren die attischen Töpfereien dieser Zeit (5. – 4. Jh. v. Chr.) beträchtlich größer: Im Kerameikos belegen uns die erhaltenen Grundmauern auf Anlagen von 4 m Länge. Früharchaische Brennräume waren nur 1,30 m breit. Wo aber wird was gestapelt? Das Einsetzen des Ofens war eine zeitaufwändige, einen Arbeitstag dauernde Tätigkeit, die vom Meister der Töpferei selber praktiziert oder bei Meisterwerkstätten von ihm selber überwacht wurde. Feinkeramik musste wegen besserer Hitzebedingungen in der Mitte des Brennraumes positioniert werden, während kleinere Keramikwaren wegen ihres leichten Gewichtes meistens oben lagen und als Dichtung des Ofens bei Hitzeverlust dienten. Grobkeramik durfte dagegen, wenn Platzmangel bestand, auch unten in die Hölle eingesetzt werden. Kleine Dreifüße sorgten für die Stabilisierung des Gutes und für den benötigten Abstand zwischen den gestapelten Waren. Letzterer ermöglichte einen Luftzug während des Brennvorgangs. Die Gefäße wurden Temperaturen von 800 bis 945 Grad ausgesetzt. Um dies zu erreichen, brauchte der Töpfer gute acht bis neun Stunden stetigen Auflegens des Ofens mit Holzscheiten. Man muss sich aber vorstellen, dass der tatsächliche Brennprozess erst nach sechs bis sieben Stunden begann. Die zu dieser Zeit erreichte Temperatur lag bei 500 Grad. Diese dunkelschwarze glänzende Malsubstanz der antiken Feinkeramik, die wir heute in den Museen aller Welt bewundern dürfen und unser Auge unbewusst anlockt, geht auf die eisenhaltige Beschaffenheit der vom antiken Maler verwendeten Erdfarben zurück, wie wir eingehend bei der Bemalung der Gefäße (siehe Kurs Nr. 5: VERZIERUNGSTECHNIKEN UND GESCHICHTLICHE ENTWICKLUNG) besprechen werden.
Was wir heute als schwarze Farbe bewundern, war keine Farbe im heutigen engeren Sinn des Wortes, sondern feiner, eisenhaltiger Tonschlicker, der durch die aufsteigende Temperatur in der Brennkammer diesen Glanzton erhielt. Der tatsächliche Brennprozess ist dreistufig: In der ersten Phase, welche die zeitaufwendigste (etwa acht Stunden nach Heizbeginn) ist, sind Schürkanal unten und Abzugloch oben geöffnet, damit Luft in die Kammer eingeführt wird. Sauerstoff verwandelt den eisenhaltigen Tonschlicker in rotes Eisenoxyd (Fe2O3) und das ganze Gefäß wird rot. Die oxydierende Phase dauert, bis die Temperatur bei 800 Grad liegt. In der zweiten Phase, die übrigens die rascheste und entscheidende für den Farbkontrast des Gefäßes war ist, steigt die Temperatur in der Brennkammer bis zu 945 Grad, während der Töpfer behutsam einen sauerstofffreien Brennvorgang einsetzt. Durch den Rauch bzw. das Kohlenmonoxyd verwandelt sich das Eisenoxyd in schwarzes Eisenoxyduloxyd (Fe3O4) und das ganze Gefäß wird schwarz. In der dritten Phase lässt man wieder Sauerstoff einströmen und den Ofen langsam auskühlen. Die Reoxydation (Rotfärbung) wirkt dabei schneller an den unverzierten Teilen des Gefäßes, während die bemalten Teile dank der dichteren Sinterung des Glanztons und der niedrigeren Temperatur schwarz bleiben. Deckfarben, wie Weiß und Rot, die zusätzlich in schwarzfigurigem Malstil aufgetragen werden, gehen eben wie Glanzton keine chemische Verbindung mit der im Ofen sauerstoffarmen oder -reichen Atmosphäre ein. Sie weisen eine höhere Sinterungstemperatur als Glanzton auf und sehen nach dem Brennen noch porös aus. Wie beim Beginn des Brandes eine aufsteigende Temperatur das Platzen des Gefäßes verhindert, darf auch das Abkühlen aus gleichem Grund nicht zu rasch erfolgen.
Genauso wie heute, lagen in der Antike die Keramikwerkstätten außerhalb der Stadt oder nah an den Stadtmauern, wie es uns Grabungsbefunde bestätigen. Diese topographische Vorliebe lässt sich aus drei praktischen Gründen erklären: Erstens, wegen des Staubes und Rauches, welche Töpfereien produzierten, da Töpferkunst eine handwerkliche, schmutzige Arbeit ist. Zweitens, musste vor Ort Wasser reichlich vorhanden sein. Und drittens, versuchten die Töpfer, um überhaupt im Geschäft zu überleben, potenzielle Kundinnen und Kunden anzulocken. Sie legten ihre Werkstätten vor allem dort an, wo sie den großen Einkäuferinnen- und Einkäufermassen zugänglich sein konnten. Das Fallbeispiel Athen erläutert dies am besten: Viele Töpfereien wurden vor den Mauern der Stadt, d. h. am Rand der Stadt, zwischen dem Dipylontor und Heiligem Tor freigelegt. Das Gelände wurde schon in der Antike „Kerameikos“ genannt. In diesem Vorstadtgebiet befindet sich die große Nekropole Athens. Hierher liefen regelmäßig Athenerinnen und Athener, um die erforderlichen Grabritualen zu Ehren der Toten abzuhalten. Die Pflicht, die Toten zu ehren, oblag in der Antike den Lebenden. Mit solchen Sitten gingen die Menschen in der Antike streng um. Es ist wohl mit Sicherheit zu erschließen, dass sie vor oder nach einem Grabbesuch in einen Töpferladen hineinliefen, um sich Grabuntensillien zu besorgen. Ebenso sorgte das Dipylontor, das Haupttor der Stadt, für großen Verkehr. Auf der anderen Seite versorgte der Eridanos-Fluss am Kerameikos die Töpferbetriebe reichlich mit Wasser. Signaturen auf den Vasen sind seltene Glücksfälle, denn die Mehrheit antiken Vasen wurde nicht von ihren Schöpfern unterschrieben. Anhand der Signaturen lässt sich zwischen einem Töpfer und einem Maler unterscheiden. Das Verb (Abb. 1) ΕΓΡΑΦΣΕΝ (hat gezeichnet) deutet ohne Zweifel auf die Arbeit des Keramikmalers (ὁ γραφεὺς) hin, während das Verb ΕΠΟ(Ι)ΕΣΕΝ (hat gemacht) die Arbeit (Abb. 2) des Töpferhandwerkers (ὁ κεραμεὺς) bezeichnet. Es ist aber möglich, dass der Töpfer mit ΕΠΟ(Ι)ΕΣΕΝ auch den Vorgang des Malens mit umfasst. Diese Termini erlauben uns zu folgern, dass im 6. Jh. v. Chr. bzw. am Endes des 6. Jhs. v. Chr., der Zeit der großen Prosperität des keramischen Gewerbes, eine Spezialisierung in den Töpferhandwerkstätten stattfand, die wohl auf den erhöhten Bedarf nach bemalter Keramik zurückzuführen ist. Jedoch ist es wohl anzunehmen, dass ein Töpfer, vor allem in der Frühzeit, seine Gefäße selber bemalt und das ganze Handwerk gut beherrscht hat. Sowohl aus Signaturen der Keramiker (Töpfer und Maler) selber, wie auch aus stilistischen Gründen (siehe Kurs Nr. 5: VERZIERUNGSTECHNIKEN UND GESCHICHTLICHE ENTWICKLUNG) dürfen wir den Schluss ziehen, dass eine Töpferwerkstatt aus vielen Mitarbeitern bestand. Es ist Tatsache, dass zur Anfertigung eines Gefäßes sowohl ein Töpfer als auch ein Maler zu Einsatz kommen konnten und jeder seinen Arbeitsteil unterschrieb. Ein Töpfer konnte aber auch mit mehr als einem Maler zusammenarbeiten. Solche Bemerkungen beziehen sich hauptsächlich auf das Beispiel des antiken Attikas, vor allem in der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs des Töpferhandwerks, d. h. im 6. Jh. v. Chr., in dem wir anhand der Selbstzeugnisse von Malern und Töpfern mit Sicherheit eine Spezialisierung des Arbeitsprozesses erschließen. Wir dürfen aber eher kleine Familienbetriebe, die vom Vater dem Sohn vererbt werden, als Regelfall annehmen. Sie beschäftigten maximal 5-8 Arbeitskräfte, die jedoch keine Konstante im Betrieb darstellten und die je nach Bedarf und Auftragslage des Keramikers durch den Einsatz von Leibeigenen und Tagelöhnern erhöht wurden.
Was lässt sich aber außer der belegten
ökonomischen Euphorie des Gewerbes an den Signaturen und
Inschriften der Hauptakteure der Töpferkunst
noch ablesen? Signaturen sind
Zeuge nicht nur des wirtschaftlichen Aufschwungs, den die
Töpferkunst erlebte, sondern auch der steigenden Konkurrenz,
die wiederum auf die steigende Nachfrage
zurückzuführen ist.
Damit wurden die Töpfer eher selbstbewusster bzw.
selbstzufriedener und stolzer für ihr handwerkliches Schaffen,
Eigenschaften, die man auch heutzutage
leidenschaftlichen
Künstlern beimessen würde. Die Schreibfreudigkeit des
antiken Kerameus erschöpft sich nicht nur in den
Töpfersignaturen seiner Schöpfungen.
Darstellungen auf den Vasen werden
mit Inschriften ergänzt und mythische Gestalten (Abb. 3) mit
ihren Namen benannt. Die Töpfer ließen sogar
menschlichen Figuren sprechen
und singen. Was könnte noch
wirkungsvoller sein, um den Bildern Leben einzuhauchen? Dazu
gehören auch Trinksprüche, welche Trinkvasen mit
Symposiendarstellungen schmücken. Sogar
Gedichte werden
manchmal bei Lese- und Schreibunterricht auf den Bildern zitiert. Dies
bezeugt das Außenbild einer attischen rotfigurigen
Trinkschale aus
Cerverti, die vom Maler Douris
signiert wurde. In dem dargestellten Schulraum wurde epische Rezitation
unterrichtet, wie uns der Anfang eines Gedichtes vor Augen
führt:
ΜΟΙΣΑΜΟΙ
ΑΦΙΣΚΑΜΑΝΔΡΟΝ
ΕΥΡΩΝΑΡΧΟΜΑΙ
ΑΕΙΝΔΕΝ
(„Muse, am
schön strömenden Skamandros, zu singen beginne
ich“). Angepasst an die Sitten der Zeit werden seit
der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. die
sogenannten Lieblingsinschriften
(ΚΑΛΟΣ-Inschriften)
auf den Vasen angebracht (Abb. 4), um beliebte Jünglinge der
athenischer Gesellschaft zu feiern.
Übertragen auf den
Arbeitsbereich einer Töpferei werden in den
ΚΑΛΟΣ-Inschriften
Töpfer als
Lieblinge gelobt. Dadurch lassen sich Vorlieben in die
Öffentlichkeit bringen
und Personen geschickt aus der Anonymität
herausdrängen. Dabei ist es hier noch ein
Mal daran zu erinnern, dass griechische Vasen wichtige
Kommunikationsmedien antiken Lebens darstellten.