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Von der Gesamtheit der materiellen Hinterlassenschaften der
griechischen antiken Kultur lassen sich antike
Tongefäße zu den zahlreich
erhalten gebliebenen zählen. Dies ist hauptsächlich
durch die Widerstandsfähigkeit des
gebackenen Tons zu erklären, der all die Jahre hindurch in der
Erde vergraben war.
Selbst wenn ein
Tongefäß in kleine Stücke zerbricht,
stellen eben diese kleinen Vasenscherben
(ὄστρακα wurden
sie in der Antike genannt) und die Nomenklatur ist auch heute
unter griechischen
Archäologinnen und Archäologen geläufig)
unangefochtene Zeugen ihrer
einstigen Herstellung dar (Abb. 1).
Hinzuzufügend ist hier
auch die preisgünstige
Anschaffung des Materials zu nennen. Nicht nur sorgte dies in der
Antike für eine Abdeckung von
Bedürfnissen einer größeren Klientel
unterer sozialer Schichten, sondern auch in der Neuzeit für
den Schutz antiker Vasen vor der Habgier der Schatzjäger, die
hauptsächlich nach
Edelmetallen wie Gold und Silber trachteten. Der reichlich, in vielen
Orten des antiken Griechenlands, vorhandene
Ton, bot den Griechen die Möglichkeit, mit dem Ton zu
experimentieren. So
gelangten sie zu den heute in Museen bewunderten Meisterwerken
griechischer Keramik.
Dies wie auch
die Weisheit beim Tonbrennen, die handwerkliche Begabung an der
Töpferscheibe
und die künstlerische Gewandtheit sowohl bei der Themenauswahl
bzw. der Themenwiedergabe als
auch bei der Verzierung lassen sich harmonisch in der Kunst des
Töpfers
verbinden und verraten am ehesten den Grad seines Seh- und
Tastorgans.
Hinausgehend über die
Herstellungsmethoden und
Dekorationstechniken, die Gefäßformen und ihrer
Verwendung geben uns diese Kunstwerke der Antike anhand ihrer
ikonographischen Themen
Auskünfte nicht nur über die
Mythen – manchmal sogar über verloren gegangene
Versionen von Mythen, die sich in der literarischen
Überlieferung nicht bezeugen lassen – den
praktizierten Kult und
alltägliches Privat- und Öffentliches Leben des
antiken
Griechenlands, sondern auch über das kulturelle Leben
jener Zeit, nämlich die zum größten Teil
heute verloren gegangene
große Kunst (Wand- und Tafelmalerei), die Skulptur und das
Theater.
Selbst historische Ereignisse und ihr damaliger
politischer Anklang lassen sich in der Vasen-Ikonographie ablesen, weil
griechische
Keramikgefäße wichtige optische Kommunikationsmedien
jener Zeit darstellen. Nicht zu übersehen
sind zuletzt die Handelsbeziehungen zwischen griechischen Staaten, die
sich im Spiegel
der Fundorte edler Feinkeramik abzeichnen lassen. Darin erweist sich
die schriftliche
Überlieferung nicht so besonders ergiebig. Dagegen erlauben
uns die in vielen Orten antiken
Griechenlands aufgetauchten Vasen, mit Sicherheit die Fragestellung
über den
damaligen Handel aufzugreifen und Gedanken darüber zu
äußern, da der größte
Produktionsteil von Feinkeramik für den Export vorgesehen war.
Wie es sich von den oben
angeführten Gedanken herleiten
lässt, werden wir uns in diesem Beitrag hauptsächlich
auf die bemalte Feinkeramik
konzentrieren, deren ikonographische Themen ein reiches Angebot
dafür bieten, dass wir uns
verschiedenen Facetten antiken (öffentlichen und privaten)
Lebens nähern.
Feinkeramikvasen waren nicht für dekorative Zwecke gedacht,
sondern stellten tatsächlich Gebrauchswaren
dar, wie die unbemalten, für den täglichen Haushalt
bestimmten, Keramikvasen.
Während aber letztere die Bedürfnisse der
großen Massen befriedigen, bleiben bemalte Vasen den
Wohlhabenden zugänglich. Sie vergegenwärtigen die
soziale Stellung des Besitzers, dessen
Eigentum solche Feinwaren zufallen. Als Attribute der wohlhabenden
Schichten waren diese
Gefäße eher speziellen Momenten, festlichen
Anlässen vorgesehen, bei denen man sich
unter anderen auch durch seine Feingefäße vor seinen
Gästen in Szene
setzen konnte.
Wieso aber bereitet dem Fach- wie Allgemeinpublikum die griechische Keramik
solch eine große Faszination? Ist es das Panorama bzw. der
Glanz der
Farben, was unseren Sehsinn am meisten reizt? Ist es die uns heute
bekannt große Auswahl von
Gefäßformen (siehe Kurs Nr.4:
GEFÄSSFORMEN: VERWENDUNG UND BEDEUTUNG), die uns
wissbegierig macht, mehr über die griechische Kultur
– hier im
Spiegel der Keramikwaren – zu erfahren, so dass wir uns zu ihren Geheimnissen hingezogen
fühlen?
Vielleicht, dass die griechische Keramikherstellung in
so früher Zeit solch eine
hohe Qualität aufweist? Kann es die Signatur des
Töpfers jener Zeit auf manchen Vasen sein
(siehe Kurs Nr. 3: ZUR HERSTELLUNG GRIECHISCHER
TONGEFÄSSE. TEIL B), der
sich selber so stolz vorstellt, wie es hier das Beispiel (Abb. 2) des
Exekias, einem der
wichtigsten schwarzfigurigen Keramiker und Maler in der Mitte des 6.
Jhs. v. Chr.
vor Augen führt, das uns vor allem fasziniert? Oder sind es
seine Handabdrücke, die
manchmal auf der inneren Seite des Gefäßes zu
beobachten sind, die uns voller
Bewunderung erzittern lassen?
Die Tatsache, dass die
schöpferische menschliche Hand des antiken
Keramikers (
κεραμες)
durch
die Jahre gereist ist
und uns erreicht hat? Sind es wohl die
Darstellungsthemen – die sich in keiner anderen
Kultur
durch so eine große Vielfalt
abheben – die sich vor unseren Augen wie ein Film abspielen
lassen und uns zu einer virtuellen
Weltreise in das antike Griechenland einladen? Das werden Sie, liebe
Leserinnen und Leser, in den nächsten
Kursen selber erfahren! Ich wünsche Ihnen nun eine gute
Reise!