ARCHÄOLOGIE
TEIL 1

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Griechische Töpferkunst (1): Einleitung
Einleitung | Herstellung | Der Brand | Gefäßformen
Im Haushalt | Verzierungstechniken | Die Keramiker | Weihegeschenk

Die griechische Töpferkunst

Von der Gesamtheit der materiellen Hinterlassenschaften der griechischen antiken Kultur lassen sich antike Tongefäße zu den zahlreich erhalten gebliebenen zählen. Dies ist hauptsächlich durch die Widerstandsfähigkeit des gebackenen Tons zu erklären, der all die Jahre hindurch in der Erde vergraben war.
Selbst wenn ein Tongefäß in kleine Stücke zerbricht, stellen eben diese kleinen Vasenscherben (ὄστρακα wurden sie in der Antike genannt) und die Nomenklatur ist auch heute unter griechischen Archäologinnen und Archäologen geläufig) unangefochtene Zeugen ihrer einstigen Herstellung dar (Abb. 1).
Hinzuzufügend ist hier auch die preisgünstige Anschaffung des Materials zu nennen. Nicht nur sorgte dies in der Antike für eine Abdeckung von Bedürfnissen einer größeren Klientel unterer sozialer Schichten, sondern auch in der Neuzeit für den Schutz antiker Vasen vor der Habgier der Schatzjäger, die hauptsächlich nach Edelmetallen wie Gold und Silber trachteten. Der reichlich, in vielen Orten des antiken Griechenlands, vorhandene Ton, bot den Griechen die Möglichkeit, mit dem Ton zu experimentieren. So gelangten sie zu den heute in Museen bewunderten Meisterwerken griechischer Keramik.
Dies wie auch die Weisheit beim Tonbrennen, die handwerkliche Begabung an der Töpferscheibe und die künstlerische Gewandtheit sowohl bei der Themenauswahl bzw. der Themenwiedergabe als auch bei der Verzierung lassen sich harmonisch in der Kunst des Töpfers verbinden und verraten am ehesten den Grad seines Seh- und Tastorgans.

Abb.2: Schwarzfigurige Trinkschale (530-520 v. Chr.)
Abb.1: Schwarzfigurige Trinkschale (530-520 v. Chr.)
Die Autorin

Die Autorin dieses Kurses ist Diplom-Archäologin und hat im 2006 ihre Dissertation mit dem Thema:"Artemis und der Weg der Frauen von ihrer Geburt bis zur Mutterschaft am Beispiel ihrer Kulte auf der Peloponnes" an der Philosophischen Fakultät I der Universität Würzburg abgegeben. Zu ihren Forschungsinteressen gehören: Griechische Heiligtümer, griechische Inschriften als Quellen zur Erforschung griechischer Religion und die soziale Stellung und das Rollenverhalten der Frau im öffentlichen und privaten Bereich im antiken Griechenland (Gender-Studies). Im Mai 2004 wurde sie mit dem DAAD-Preis der Bayerischen Julius - Maximilians - Universität Würzburg für hervorragende Leistung ausländischer Studierender ausgezeichnet. Sie hat an vielen Ausgrabungen in Griechenland, darunter in Pella, der Hauptstadt des Königreiches Makedonien, teilgenommen. Seit 2003 ist sie Lehrbeauftragte für das Neugriechische am Institut für Klassische Philologie an der Universität Würzburg.

Hinausgehend über die Herstellungsmethoden und Dekorationstechniken, die Gefäßformen und ihrer Verwendung geben uns diese Kunstwerke der Antike anhand ihrer ikonographischen Themen Auskünfte nicht nur über die Mythen – manchmal sogar über verloren gegangene Versionen von Mythen, die sich in der literarischen Überlieferung nicht bezeugen lassen – den praktizierten Kult und alltägliches Privat- und Öffentliches Leben des antiken Griechenlands, sondern auch über das kulturelle Leben jener Zeit, nämlich die zum größten Teil heute verloren gegangene große Kunst (Wand- und Tafelmalerei), die Skulptur und das Theater.
Selbst historische Ereignisse und ihr damaliger politischer Anklang lassen sich in der Vasen-Ikonographie ablesen, weil griechische Keramikgefäße wichtige optische Kommunikationsmedien jener Zeit darstellen. Nicht zu übersehen sind zuletzt die Handelsbeziehungen zwischen griechischen Staaten, die sich im Spiegel der Fundorte edler Feinkeramik abzeichnen lassen. Darin erweist sich die schriftliche Überlieferung nicht so besonders ergiebig. Dagegen erlauben uns die in vielen Orten antiken Griechenlands aufgetauchten Vasen, mit Sicherheit die Fragestellung über den damaligen Handel aufzugreifen und Gedanken darüber zu äußern, da der größte Produktionsteil von Feinkeramik für den Export vorgesehen war. Wie es sich von den oben angeführten Gedanken herleiten lässt, werden wir uns in diesem Beitrag hauptsächlich auf die bemalte Feinkeramik konzentrieren, deren ikonographische Themen ein reiches Angebot dafür bieten, dass wir uns verschiedenen Facetten antiken (öffentlichen und privaten) Lebens nähern. Feinkeramikvasen waren nicht für dekorative Zwecke gedacht, sondern stellten tatsächlich Gebrauchswaren dar, wie die unbemalten, für den täglichen Haushalt bestimmten, Keramikvasen. Während aber letztere die Bedürfnisse der großen Massen befriedigen, bleiben bemalte Vasen den Wohlhabenden zugänglich. Sie vergegenwärtigen die soziale Stellung des Besitzers, dessen Eigentum solche Feinwaren zufallen. Als Attribute der wohlhabenden Schichten waren diese Gefäße eher speziellen Momenten, festlichen Anlässen vorgesehen, bei denen man sich unter anderen auch durch seine Feingefäße vor seinen Gästen in Szene setzen konnte.

Abb. 3= schwarzfigurige amphora des Exekias(550-540 v. Chr.)
Abb.2: Schwarzfigurige Amphora des Exekias (550-540 v. Chr.)

Wieso aber bereitet dem Fach- wie Allgemeinpublikum die griechische Keramik solch eine große Faszination? Ist es das Panorama bzw. der Glanz der Farben, was unseren Sehsinn am meisten reizt? Ist es die uns heute bekannt große Auswahl von Gefäßformen (siehe Kurs Nr.4: GEFÄSSFORMEN: VERWENDUNG UND BEDEUTUNG), die uns wissbegierig macht, mehr über die griechische Kultur – hier im Spiegel der Keramikwaren – zu erfahren, so dass wir uns zu ihren Geheimnissen hingezogen fühlen?
Vielleicht, dass die griechische Keramikherstellung in so früher Zeit solch eine hohe Qualität aufweist? Kann es die Signatur des Töpfers jener Zeit auf manchen Vasen sein (siehe Kurs Nr. 3: ZUR HERSTELLUNG GRIECHISCHER TONGEFÄSSE. TEIL B), der sich selber so stolz vorstellt, wie es hier das Beispiel (Abb. 2) des Exekias, einem der wichtigsten schwarzfigurigen Keramiker und Maler in der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. vor Augen führt, das uns vor allem fasziniert? Oder sind es seine Handabdrücke, die manchmal auf der inneren Seite des Gefäßes zu beobachten sind, die uns voller Bewunderung erzittern lassen?
Die Tatsache, dass die schöpferische menschliche Hand des antiken Keramikers (ho κεραμες) durch die Jahre gereist ist und uns erreicht hat? Sind es wohl die Darstellungsthemen – die sich in keiner anderen Kultur durch so eine große Vielfalt abheben – die sich vor unseren Augen wie ein Film abspielen lassen und uns zu einer virtuellen Weltreise in das antike Griechenland einladen? Das werden Sie, liebe Leserinnen und Leser, in den nächsten Kursen selber erfahren! Ich wünsche Ihnen nun eine gute Reise!

Morgen bei aphilia: Die Herstellung griechischer Tongefäße