ARCHÄOLOGIE
TEIL 6

VON 8
Griechische Töpferkunst (6): Verzierungstechniken und geschichtliche Entwicklung
Einleitung | Herstellung | Der Brand | Gefäßformen
Im Haushalt | Verzierungstechniken | Die Keramiker | Weihegeschenk

Verzierungstechniken

Das Verzieren der Gefäße ist eine zeitaufwändige Tätigkeit. Wenn die Arbeit an der Töpferscheibe mit dem Glätten des Gefäßes durch einen feuchten Lederlappen beendet ist, kann der Töpfer mit der Bemalung beginnen. Einerseits ist bei dieser Arbeitsphase für den Gegenstand der Kunst, das Tongefäß, der lederharte Zustand der Gefäßoberfläche, worauf die Verzierung angesetzt wird, besonders wichtig.
Andererseits ist auch der Akteur selber, hier der Maler, in den Prozess mit einzubeziehen: Die Kunst der Gefäßbemalung bedarf eines scharfen Auges und einer ruhigen Hand. Beides sind eher Eigenschaften junger Künstler, die gewiss schnell zur Vollendung ihres Handwerks kommen mussten, wenn man bedenkt, dass ihnen, wenn auch nicht an jedem Tag, oft Serien von Gefäßen zum Malen bevorstanden. Dies bietet Gelegenheit für eine große Praxiserfahrung. War aber das Arbeitsfeld des Malens eine rein künstlerische Aufgabe? Wenn uns heute in dem Wort Malen spontan etwas Künstlerisches einfällt, dürfen wir solche Gedanken auf das Arbeitsfeld des antiken Malers nicht übertragen bzw. damit assoziieren: Zum größten Teil war seine Arbeit handwerklicher Art. Tägliche Werkzeuge waren nicht nur der Pinsel, sondern auch die Schablonen zum Ziehen senkrechter Linien, der Zirkel sowohl in der geometrischen Zeit für das Zeichnen von Kreisen und Halbkreisen, als auch in den nachfolgenden Zeiten für jede Art kreisförmiger Gegenstände. Zum handwerklichen Teil gehörte noch vor der Bemalung des Gefäßes die Grundierung. Sie wurde auf die Bemalung edler Keramikwaren eingesetzt, um ihnen besonderen Glanz zu verleihen und den Kontrast von Malgrund und Verzierungsornamenten zu verstärken. So griffen die Künstler Kleinasiens in der früharchaischen Zeit auf eine weiße Grundierung, um den dunklen Ton zu erleuchten. Die Athener verwendeten dagegen eine hauchdünne Schlickerschicht, die den rötlichen Ton nach dem Brand noch glänzend macht.

Geometrische Amphore
Abb 1: Geometrische Amphore
 (725-720 v. Chr.)

Selbst korinthische keramische Werkstätten in Zeiten großer Konkurrenz mit den attischen Werkstätten legen auf den hellen, gelblichen korinthischen Ton eine rötliche Grundierung, um den attischen rötlichen Ton zu imitieren. Die farbliche Wirkung der Gefäße wird durch die Anwendung brennfester Erdfarben erzielt. Die schwarze Farbe (Glanzton) war ein feiner, eisenhaltiger Tonschlicker. Aufgrund seiner eisenhaltigen Konsistenz verwandelte ihn der Brand zu schwarzer bzw. roter Färbung. (siehe Kurs Nr. 3: ZUR HERSTELLUNG GRIECHISHER TONGEFÄSSE. TEIL B). Die Figuren wurden zusätzlich durch noch zwei sogenannten Deckfarben (Rot und Weiß) farblich zugespitzt. Diese sind ebenfalls brennfeste Erdfarben, deren Farbspektrum von Weiß, Gelbweiß, Braungelb bis zu Rot- und Violetttönen reicht.
Leider sind heute diese „Farben“ auf den Vasen nicht vollkommen erhalten geblieben. Die heutzutage in der Fachliteratur sehr gut dokumentierte stilistische Entwicklung bemalter Keramik geht auf die große Anzahl erhalten gebliebener Beispiele zurück, die wiederum zum größten Teil mit der Vermehrung der Grabungskampagnen zusammenhängt. So können wir freilich nachvollziehen, was für ein hilfreiches „Werkzeug“ für Archäologinnen und Archäologen sich selbst nur vereinzelt aufgetauchte Vasenscherben bei Datierungsschwierigkeiten von Grabungsschichten (Stratigraphie) erweisen können.

Nach ihnen sind wir im Stande auch Problemfalle genau zu datieren. Bevor ich weiter auf die stilistische Entwicklung bemalter Keramik eingehe, möchte ich bemerken, dass wir innerhalb zweier Jahrhunderte (Ende des 8. – Ende des 6. Jh. v. Chr.) in der Wiedergabe der bildlichen Figuren verschiedene keramische Maltechniken beobachten dürfen. Dies besagt, dass der Keramikmaler gerne mit dem Zeichnen experimentierte und durch das tägliche Treiben seines Handwerks nach neuen Wegen suchte. Dabei spielte, wie schon gesagt, der konkurrierende Charakter der Gewerbe eine große Rolle, da der Keramikmaler so zum Entwickeln seines persönlichen Stiles und zur Öffnung neuer Horizonte angespornt wurde. In der frühen Ornamentik spielten Kreise, Halbkreise, Mäander und andere geometrische Formen eine wichtige Rolle. Sie stellen unentbehrliche Symbole des Verzierungsstils dieser Zeit dar (Abb. 1), wie selbst die Benennung der Zeitepoche, „geometrisch“ (900-700 v. Chr.), verrät.
Ornamente und Figuren wurden mit dunkelbrennendem Glanzton als einfache Silhouette angegeben, bei denen keine Einzelheiten zu erkennen sind. Die Malweise wird in der Literatur als „Silhouettenstil“ angeführt. Erst im späten 8. Jh. v. Chr. wurde eine gewisse Auflockerung der Figur eingeführt. Die Rede ist von der sogenannten „Umrissmalerei“, die sich in der früharchaischen Zeit zu etablieren begann. Als Hauptgerät diente ein feiner Pinsel. Hier wurden die Umrisslinien mit Glanzton und Deckfarben kombiniert: Der Umriss der Figuren wurde mit dem Pinsel in Glanztonstrichen gezeichnet und mit Deckfarben angefertigt.

Rotfigurige Trinkschale
Abb 3: Rotfigurige Trinkschale
(ca. 480 v. Chr.)

Die neue Technik wurde schon 720 v. Chr. in Korinth gut aufgenommen. Den korinthischen Töpfern ist es aber im 690 v. Chr. gelungen, aus dem früheren Silhouettenstil der geometrischen Zeit, eine neue Malweise, die sogenannte „schwarzfigurige“, zu entwickeln. Sie zogen es vor, entsprechend dem Silhouettenstil die Figur ganz in Glanzton zu bemalen, mit wenig Deckfarben (Weiß und Rot) zu versehen, aber gezielt durch Ritzlinien, das Hauptcharakteristikum dieser Maltechnik, ihre Einzelheiten zu kreieren. Die schwarzfigurige Malweise erlaubt dem Keramikmaler einen hohen Grad von Detaillierung zu erreichen. Zu diesem Effekt kommen auch die Deckfarben zum Einsatz. Für die Letztgenannten etablierten sich mit der Zeit unter den Malern gewisse Kürzel: Weiße Farbe wird hauptsächlich für die weibliche Haut (Abb. 2), wie auch für Geräte verwendet. Rot kommt am meisten für Gewänder, Stoffe und Rüstungen vor. Die brennbaren Deckfarben wurden auf der Glanztonschicht aufgetragen, nachdem sie ausgetrocknet hatte. Für eine geritzte, detaillierte Zeichnung der Gefäße war es äußerst wichtig, dass der Ton ausreichend getrocknet war. Somit konnte der Maler mit seinem spitzen Metallgriffel tiefe Ritzlinien auf dem Gefäß ausführen, die nach dem Brand im Ofen deutlich erkennbar waren.
An dieser Stelle möchte ich auf einen weiteren typisch korinthischen Malstil, nämlich den polychromen Stil (7. Jh. v. Chr.) aufmerksam machen. Dieser Stil lässt sich gut vom schwarzfigurigen Stil abheben. Die reiche Anwendung von Erddeckfarben, nicht nur weißen und roten wie im schwarzfigurigen Stil, sondern auch bräunlichen und gelblichen, schaffen Zwischentöne, die besonders künstlerisch bzw. malerisch auf dem hellen korinthischen Ton wirken. Diese Maltechnik schmückt besonders kostbare Waren, wie das typische Kennzeichnen der korinthischen Werkstatt, den Aryballos (Ölgefäß). Während schon im 7. Jh. v. Chr. attische Werkstätten der korinthischen Erfindung, nämlich der schwarzgrundigen Maltechnik, folgen und zur Vollendung bringen, wird der schwarzfigurige Stil von den anderen Gebieten Griechenlands (Lakonien, Böotien, Ostgriechenland) erst im 6. Jh. v. Chr. aufgenommen. Zu dieser Zeit hat die schwarzfigurige Maltechnik, wie es wohl von den Bildern zu entnehmen ist, schon längst ihren Zenit erreicht, alle zeichnerischen Möglichkeiten waren ausgenutzt und man war auf dem Weg zu neuen Techniken.

Weißgrundige Lekythos
Abb 4: Weißgrundige Lekythos
(5. Jh. v. Chr.)

Schon im 6. Jh. v. Chr. experimentierten attische Werkstätten mit neuen Methoden, in dem sie Gefäßteile, die normalerweise nicht verziert wurden, schwarz überzogen. So erreichten sie eine Umkehrung der schwarzfigurigen Malweise, nämlich die sogenannte „rotfigurige“ Maltechnik (Abb. 3): Der Maler stellt tongrundige, helle Figuren im schwarzen Hintergrund. Die terrakottafarbenen, dem Betrachter hell wirkenden Figuren, gewinnen eine plastische Abbildung, sodass sie eine sehr reale Darstellung erhalten. Die frühesten Beispiele gehören im 530 v. Chr. der Werkstatt des Töpfers Andokides. Zunächst bleibt die geritzte Zeichnung der Konturen geläufig, wirkt aber auf die tongrundigen Figuren eher ungeschickt und wird mit der Zeit aufgegeben. Dasselbe gilt für die Deckfarben. Stattdessen verwendet der Maler einen verdünnten, bräunlichen Glanzton, der zu den hellen Figuren passt und mit ihnen farblich harmoniert. Deckfarben werden jetzt nur auf die kleinsten Details, wie die Kränze, den Schmuck, die Spendegüsse, die Flammen des Altars, und die gemalten Inschriften (Dipinti) aufgetragen und sind heute auf den Vasendarstellungen eher im besonderen Licht zu erkennen. Ein dickflüssiger Tonschlicker dient zur Präzisierung von feinen Details, wie Haarlocken, bestimmten Schmuckteilen und Metall, kommt aber nur in den besten Werkstätten in Frage. Vorzeichnungen wurden mit einem Pigment abgefertigt, das später beim Brand des Gefäßes verschwand. Der Maler konnte seine Figur vom Bildgrund umreißen. Solche Kenntnisse verdanken wir dem sehr glücklichen Zufall unvollständiger Probescherben.
Bevor wir zum Schluss kommen, lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf noch eine andere Gattung der keramischen Malerei, nämlich auf die weißgrundigen attischen Lekythen (Abb. 4). Diese Gefäße kennzeichnet im Vergleich zu den polychromen protokorinthischen Gefäßen eine noch reiche Polychromie, die aber mit nicht brennbaren Erdfarben erfolgt und auf einem hellen Kaolingrund erscheint. Die Farben werden erst nach dem Brand des Gefäßes aufgetragen. Deshalb sind sie sehr empfindlich und nicht für den häufigen, täglichen Gebrauch bestimmt. Die ersten Beispiele reichen in dem späten 8. Jh. v. Chr. zurück. Sie wurden speziell für den sepurkalen Bedarf (bei Grabritualen im Totenkult) angefertigt. Das Auftreten ihrer farbigsten Beispiele in der spätklassischen Zeit fällt mit der Zeit der großen Malerei Griechenlands zusammen. Dass der Lekythenmaler konsequent den Pinsel, und zwar erstmal für die Schattenmalerei, verwendet, bezeugt, dass sich die zwei Gattungen zu dieser Zeit nahe gekommen sind. Der Keramikmaler jener Zeit, inspiriert von den Werken der großen Maler, suchte nach neuen Wegen.

Morgen bei aphilia: Die soziale Stellung des Keramikers