Philosophie
Lektion

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Die Epikureer (1): Lebe im Verborgenen

Der Garten Epikurs

Planet Mars
Der Garten Epikurs -  Ort der Philosophie

Was ist das nur für eine seltsame Schule? Sie liegt nicht wie die Stoa im Zentrum Athens. Sie kennt keine Aufnahmebedingungen wie die Akademie Platons. Sie steht nicht im Ruf der Tugendhaftigkeit wie das Peripatos, die Wandelhalle des Aristoteles. Um den Garten des Epikur ranken sich zahlreiche Legenden. Schon die Zusammensetzung der Schülerschaft dieser für das in philosophischen Fragen durchaus aufgeschlossene Athen lassen das Schlimmste vermuten. Unter ihnen befinden sich tatsächlich zwei Gruppen, die bisher für die Philosophie als untauglich galten: Frauen und Sklaven. 
Schon dies bedeutete eine ungeheure Provokation gegenüber den etablierten philosophischen Institutionen. Einen weiteren Stein des Anstoßes stellte die epikureische Maxime "Lebe im Verborgenen" dar. Denn in Athen pflegte man die Rhetorik und die öffentliche Debatte über weltanschauliche Fragen. Wie im Sport galt auch im Streben nach Glück und Tugend das Wettkampfprinzip - wer sich im Garten verbarg, der galt zumindest als schlechter Verlierer.

Die epikureische Schule 

Aristoteles
Epikur
Platon Raffael
Von Demokrit bis Lukrez

Neben dem Namensgeber der Schule spielen zwei weitere Denker eine wichtige Rolle für die  Philosophie des Gartens. Der griechische Philosoph Demokrit, wegen seiner Heiterkeit auch als "lachender Philosoph" bekannt, lieferte mit seiner Atomlehre die naturwissenschaftliche Grundlage epikureischen Denkens. Lukrez vermittelte die epikureische Tradition in die römische Welt.

Die epikureische Schule steht in der Tradition der Atomisten. Der in der Mitte des 5. Jahrhunderts vor Christus geborene Demokrit gilt als wichtigster Vertreter dieser frühen naturwissenschaftlichen Lehre. Die Atomisten gehen davon aus, dass jedes Lebewesen und jedes Ding aus einer Ansammlung kleinster Teilchen besteht. Das griechische Wort atomos bedeutet nichts anders als unteilbar. Platon hat die Lehre Demokrits in seine eigenen naturwissenschaftlichen Überlegungen integriert und den vier Elementen verschieden Formen von Atomen zugeordnet: Das Feuer ist tetraedrisch (pyramidenförmig), die Erde kubisch (würfelförmig), die Luft oktaedrisch (achteckig) und das Wasser ikosaedrisch (20-eckig). Die Teilchenphysik nimmt also, wenn auch auf spekulativer Basis, bereits in der Antike ihren Anfang. Doch Demokrit und später auch Epikur bleiben nicht in der naturwissenschaftlichen Spekulation stehen, sondern zogen eine Parallele zur menschlichen Existenz: Wenn auch die menschliche Seele aus Atomen besteht, zerfällt sich nach dem Tod. Während des Lebens ist es daher wichtig, allzu große Bewegungen der Seelenatome zu vermeiden, um sie nicht aus dem Gleichgeweicht zu bringen.

Die Epikureer in Raffaels Schule von Athen

Epikur in der Schule von Athen
Die Gruppe um Epikur in Raffaels Schule von Athen

Das Bild rechts zeigt einen Ausschnitt der berühmten Schule von Athen, einem 1511 fertiggestellten Fresko in der Stanza della Segnatura des Vatikanischen Palastes. Bei der fiktiven Zusammenkunft der Hauptvertreter der griechischen Philosophie nimmt die Gruppe um Epikur zwar nur einen Platz am Rande ein, besticht aber doch bei näherem Hinsehen durch einige interessante Details. Der bekränzte Epikur wird beim Schreiben von einem Kind, einem Greis und einem verdecktem Mann im Hintergrund umlagert. Letzterer legt ihm die Hand auf die Schulter und blickt verschämt zu Boden. Hier spielt Raffael wohl auf ein Leitmotiv der Schule an, das Lebens im Verborgenen. In seinen Gesichtszügen und seiner Körperhaltung wirkt Epikur sanftmütig und zurückhaltend. Das Treiben um sich lässt er in Ruhe geschehen, während er sich seinen Aufzeichnungen widmet. Die generationenübergreifende Zusammensetzung der Gruppe ist auf dem gesamten Fresko einmalig, und entspricht ganz Epikurs vom lebenslangen Lernen:
"Wer noch jung ist, der soll sich der Philosophie befleißigen, und wer alt ist, soll nicht müde werden zu philosophieren. denn niemand kann früh genug anfangen, für seine Seelengesundheit zu sorgen, und für niemanden ist die Zeit dazu zu spät. Wer da sagt, die Stunde zum Philosophieren sei für ihn noch nicht erschienen oder bereits entschwunden, der gleicht dem, der behauptet, die Zeit der Glückseligkeit sei noch nicht gekommen oder nicht mehr da. Es gilt also zu philosophieren für jung und alt, auf daß der eine auch im Alter noch jung bleibe, auf Grund des Guten, das ihm durch des Schicksals Gunst zuteil geworden, der andere aber Jugend und Alter in sich vereinige dank der Furchtlosigkeit vor der Zukunft. Also gilt es, unsern vollen Eifer dem zu widmen, was uns zur Glückseligkeit verhilft; denn haben wir sie, so haben wir alles, fehlt sie uns aber, so setzen wir alles daran, sie uns anzueignen.
Quelle: Epikur entbietet dem Menoikeus seinen Gruß, Abschnitt 122 in Buch 10 von Diogenes Laertius´ Leben und Meinungen berühmter Philosophen. 

Grundzüge der epikureischen Lehre 

Lebe verborgen
Lust und Maß
Götter und Tod
Stoa und Humanismus
Die Schule von Athen
Raffael: Die Schule von Athen

Die epikureische Terminologie dreht sich um den Begriff der Lust, allerdings mit einem weit über die Erotik hinausgehenden Bedeutungsspektrum. Lust beginnt bei Epikur schon da, wo die Unlust abwesend ist: Freiheit von Schmerz und Furcht sind für ihn die Voraussetzungen, die ein glückliches Leben bereits ermöglichen. Nicht die heute propagierte Maximierung der Lust ist das Ziel, sondern die Einsicht in die Folgen von Lusterlebnissen.
Wer vernünftig abzuwägen weiß, wird eine Seelenruhe erreichen, die der windstillen Oberfläche des Meeres gleicht. Zu den Göttern hat Epikur aus gutem Grunde ein distanziertes Verhältnis. Die antiken Götter hatten sehr menschliche Züge, und sie brachten den Sterblichen bei Fehltritten oder auch nur aus einer Laune heraus oft in bedrängliche Situationen. Epikur leugnet ihre Existenz nicht, ist aber der Ansicht, dass man sich vor ihnen nicht zu fürchten braucht, da sie sich um die Menschen viel weniger Gedanken machten, als diese glaubten. 

Die Epikureer (1): Lebe im Verborgenen