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Was ist das nur für eine
seltsame Schule? Sie
liegt nicht wie die Stoa im Zentrum Athens. Sie kennt keine
Aufnahmebedingungen wie die Akademie Platons. Sie steht nicht im Ruf
der Tugendhaftigkeit wie das Peripatos, die Wandelhalle des Aristoteles. Um den Garten des Epikur ranken sich zahlreiche Legenden. Schon die
Zusammensetzung der Schülerschaft dieser für
das in
philosophischen Fragen durchaus aufgeschlossene Athen lassen das
Schlimmste vermuten. Unter ihnen befinden sich tatsächlich
zwei
Gruppen, die bisher für die Philosophie als
untauglich
galten: Frauen und Sklaven.
Schon dies bedeutete eine ungeheure Provokation gegenüber den
etablierten philosophischen Institutionen. Einen weiteren Stein des
Anstoßes stellte die epikureische Maxime "Lebe im
Verborgenen" dar. Denn in Athen pflegte man die Rhetorik und
die
öffentliche Debatte über weltanschauliche
Fragen. Wie im
Sport galt auch im Streben nach Glück und Tugend
das Wettkampfprinzip - wer sich im Garten verbarg, der galt
zumindest als schlechter Verlierer.
Die epikureische Schule steht in der Tradition der Atomisten. Der in der Mitte des 5. Jahrhunderts vor Christus geborene Demokrit gilt als wichtigster Vertreter dieser frühen naturwissenschaftlichen Lehre. Die Atomisten gehen davon aus, dass jedes Lebewesen und jedes Ding aus einer Ansammlung kleinster Teilchen besteht. Das griechische Wort atomos bedeutet nichts anders als unteilbar. Platon hat die Lehre Demokrits in seine eigenen naturwissenschaftlichen Überlegungen integriert und den vier Elementen verschieden Formen von Atomen zugeordnet: Das Feuer ist tetraedrisch (pyramidenförmig), die Erde kubisch (würfelförmig), die Luft oktaedrisch (achteckig) und das Wasser ikosaedrisch (20-eckig). Die Teilchenphysik nimmt also, wenn auch auf spekulativer Basis, bereits in der Antike ihren Anfang. Doch Demokrit und später auch Epikur bleiben nicht in der naturwissenschaftlichen Spekulation stehen, sondern zogen eine Parallele zur menschlichen Existenz: Wenn auch die menschliche Seele aus Atomen besteht, zerfällt sich nach dem Tod. Während des Lebens ist es daher wichtig, allzu große Bewegungen der Seelenatome zu vermeiden, um sie nicht aus dem Gleichgeweicht zu bringen.
Das Bild rechts zeigt einen
Ausschnitt der berühmten Schule
von
Athen, einem 1511 fertiggestellten Fresko in der Stanza della Segnatura
des Vatikanischen Palastes. Bei der fiktiven Zusammenkunft der
Hauptvertreter der griechischen
Philosophie nimmt die Gruppe um Epikur zwar
nur einen Platz am Rande ein, besticht aber doch bei näherem
Hinsehen durch einige interessante Details. Der bekränzte
Epikur
wird beim Schreiben von einem Kind, einem Greis und einem verdecktem
Mann im Hintergrund umlagert. Letzterer legt ihm die Hand auf
die Schulter und blickt verschämt zu Boden. Hier spielt
Raffael wohl auf ein Leitmotiv der Schule an, das Lebens im
Verborgenen. In seinen Gesichtszügen und seiner
Körperhaltung
wirkt Epikur sanftmütig und zurückhaltend. Das
Treiben um
sich lässt er in Ruhe geschehen, während er sich
seinen
Aufzeichnungen widmet. Die generationenübergreifende
Zusammensetzung der Gruppe ist auf dem
gesamten Fresko einmalig, und entspricht ganz Epikurs vom lebenslangen
Lernen:
"Wer noch jung ist, der soll sich der Philosophie
befleißigen,
und wer alt ist, soll nicht müde werden zu philosophieren.
denn
niemand kann früh genug anfangen, für seine
Seelengesundheit
zu sorgen, und für niemanden ist die Zeit dazu zu
spät. Wer
da sagt, die Stunde zum Philosophieren sei für ihn noch nicht
erschienen oder bereits entschwunden, der gleicht dem, der behauptet,
die Zeit der Glückseligkeit sei noch nicht gekommen oder nicht mehr
da.
Es gilt also zu philosophieren für jung und alt, auf
daß der
eine auch im Alter noch jung bleibe, auf Grund des Guten, das
ihm
durch des Schicksals Gunst zuteil geworden, der andere aber Jugend und
Alter in sich vereinige dank der Furchtlosigkeit vor der Zukunft. Also
gilt es, unsern vollen Eifer dem zu widmen, was uns zur
Glückseligkeit verhilft; denn haben wir sie, so haben wir
alles,
fehlt sie uns aber, so setzen wir alles daran, sie uns anzueignen.
Quelle: Epikur entbietet dem Menoikeus seinen Gruß, Abschnitt
122
in Buch 10 von Diogenes Laertius´ Leben und Meinungen
berühmter Philosophen.
Die epikureische Terminologie dreht
sich um den Begriff der Lust, allerdings mit einem weit über
die Erotik hinausgehenden Bedeutungsspektrum. Lust beginnt bei Epikur
schon da, wo die Unlust abwesend ist: Freiheit von Schmerz und Furcht
sind für ihn die Voraussetzungen, die ein glückliches
Leben bereits ermöglichen. Nicht die heute propagierte
Maximierung der Lust ist das Ziel, sondern die Einsicht in die
Folgen von Lusterlebnissen.
Wer vernünftig abzuwägen weiß, wird eine
Seelenruhe erreichen, die der windstillen Oberfläche des
Meeres gleicht. Zu den Göttern hat Epikur aus gutem
Grunde ein distanziertes Verhältnis. Die antiken
Götter hatten sehr menschliche Züge, und sie brachten
den Sterblichen bei Fehltritten oder auch nur aus einer Laune heraus
oft in bedrängliche Situationen. Epikur leugnet ihre Existenz
nicht, ist aber der Ansicht, dass man sich vor ihnen nicht zu
fürchten braucht, da sie sich um die Menschen viel weniger
Gedanken machten, als diese glaubten.