Archäologie | Literatur | Psychologie |
Astronomie | Naturwissenschaft | Sprachen |
Geschichte | Pädagogik | Theologie |
Kunst | Philosophie |
Rückschau
Ich habe gerochen alle Gerüche / In dieser holden
Erdenküche;
Was man genießen kann in der Welt / Das hab ich genossen wie
je ein Held!
Hab` Kaffee getrunken, hab` Kuchen gegessen / Hab` manche
schöne Puppe besessen;
Trug seid`ne Westen, den feinsten Frack / Mir klingelten auch Dukaten
im Sack.
Wie Gellert ritt ich auf hohem Ross / Ich hatte ein Haus, ich
hatte ein Schloss.
Ich lag auf der grünen Wiese des Glücks / Die Sonne
grüßte goldigsten Blicks;
Ein Lorbeerkranz umschloss die Stirn / Er duftete
Träume mir ins Gehirn,
Träume von Rosen und ewigem Mai / Es ward mir so selig zu
Sinne dabei,
So dämmersüchtig, so sterbefaul / Mir flogen
gebrat`ne Tauben ins Maul,
Und Englein kamen, und aus den Taschen / Sie zogen hervor
Champagnerflaschen
Das waren Visionen, Seifenblasen / Sie platzten - Jetzt lieg`
ich auf feuchtem Rasen,
Die Glieder sind mir rheumatisch gelähmt / Und meine Seele ist
tief beschämt.
Ach jede Lust, ach jeden Genuss / Hab ich erkauft durch herben
Verdruss;
Ich ward getränkt mit Bitternissen / Und grausam von den
Wanzen gebissen;
Ich ward bedrängt von schwarzen Sorgen / Ich musste
lügen, ich musste borgen
Bei reichen Buben und alten Vetteln / Ich glaube sogar, ich musste
betteln.
Jetzt bin ich müd` vom Rennen und Laufen / Jetzt will
ich mich im Grabe verschnaufen.
Lebt wohl! Dort oben, ihr christlichen Brüder / Ja, das
versteht sich, dort seh`n wir uns wieder.
Heinrich Heine 1851
1843 publiziert Heine Atta Troll. Ein
Sommernachtstraum und das Gedicht Nachtgedanken, 1844
folgen Deutschland. Ein
Wintermärchen und die Sammlung Neue Gedichte.
Doch Heine leidet unter schwerem Rheumatismus. Mit seinem
Gesundheitszustand geht es ab 1845 rapide bergab. Im
Mai 1848 bricht er im Louvre zusammen, die ärztliche Diagnose
lautet Rückenmarkschwindsucht. In den Folgejahren ist er
für
eine immer längere Zeit ans Bett gefesselt, was er selbst
schließlich als "Matratzengruft" bezeichnet.
Wo wird einst des Wandermüden
letzte Ruhstätte sein?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?
Werd` ich wo in einer Wüste
Eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh` ich an der Küste
Eines Meeres in dem Sand?
Immerhin! Mich wird umgeben
Gotteshimmel, dort wie hier,
Und als Totenlampen schweben
Nachts die Sterne über mir.
Heinrich Heine, 1797-1856
(Grabinschrift)