LITERATUR
TEIL 2

VON 4
Heinrich Heine (2): Die Loreley
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Das Lied von der Loreley

Heinrich Heine
Heinrich Heine und seine Zeit

Ich weiß nicht was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar;
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lore-Ley getan.

Die Wirkungsgeschichte der Loreley

Die Loreley, Heines heute in Deutschland wohl bekanntestes Werk, erscheint 1824 in der Sammlung Dreiunddreißig Gedichte. Ob das Lied der schönen Jungfrau nun die Aufarbeitung der enttäuschten Liebe zu seiner Cousine Amalie widerspiegelt, oder einen Versuch der ironischen Überwindung der zuckersüßen Romantik darstellt, bleibt eine Frage der akademischen Diskussion. Nicht zuletzt durch die Vertonung von Friedrich Silcher, Komponist und Musikdirektor an der Universität Tübingen, wird das Lied zum romantischen Volkslied und es hat diesen Status bis heute erhalten.

Die Überwindung der Romantik

Das Fräulein stand am Meere
und seufzte lang und bang,
es rührte sie so sehre
der Sonnenuntergang.

"Mein Fräulein! sei'n sie munter,
das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
und kehrt von hinten zurück."

Mit dieser so gar nicht romantischen Wendung innerhalb des Gedichtes zeigt Heine, dass er zwar die romantischen Stilmittel beherrscht, ihre Weltverklärung aber nicht teilen mag. Auch weit nach Heines Tod gibt es immer wieder Versuche, die Loreley neu zu interpretieren. Erich Kästner knüpft in seinem Gedicht Der Handstand auf der Lorelei wieder an die Ironisierung der Romantik an. Kästner hat von der Wirkungsgeschichte des Werkes gelernt, und um jeglichen Missinterpretationen vorzubeugen, bedient er sich einer sehr drastischen Sprache. In seiner Lorelei geht es um einen Turner, der sich auf dem Felsen an einem Handstand versucht und dabei aus dem Gleichgewicht gerät: "Er stand, verkehrt, im Abendsonnenscheine. / Da trübte Wehmut seinen Turnerblick: / er dachte an die Loreley - von Heine / und stürzte ab und brach sich das Genick."

Heinrich Heine und die Pariser Julirevolution

Forum Literatur
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Heine als Journalist und Korrespondent in Paris

Heine arbeitete im Auftrag seines Hamburger Verlegers Julius Campe, aber auch für verschiedene Zeitungen in Deutschland und Frankreich als Reisejournalist. Unter Campe erscheinen 1826 die Reisebilder, mit den Teilen Heimkehr, Die Harzreise und Die Nordsee I.

Heine wird auch selbst verlegerisch tätig und gibt ab 1928 zusammen mit Cotta die Neuen Allgemeinen Politischen Annalen heraus. Cotta war Deputierter beim Wiener Kongress, und trat dort für die Unabhängigkeit des deutschen Buchhandels ein. 1931 veröffentlichte er Heines erste Berichte aus Paris im Morgenblatt für gebildete Stände.

1830 bricht in Paris die Julirevolution aus, die Bourbonen werden endgültig gestürzt und es beginnt die Herrschaft des liberalen Bürgerkönigs Ludwig Phillip. Heine erfährt davon bei einem Sommerurlaub auf Helgoland. Schließlich entscheidet er sich dazu, Deutschland den Rücken zu kehren. Ein Motiv war sicherlich auch sein gescheiterter Versuch, eine Professur in München zu erhalten. Von Frankreich aus versucht er den liberalen Geist in Deutschland zu beflügeln. Seine Artikelserie Französische Zustände erscheint in der Augsburger Allgemeinen Zeitung, wird aber als Buchausgabe in Preußen verboten. 1836 erhält Heine in Frankreich eine kleine Pension der französischen Regierung. Seine Zuneigung zum Bürgerkönig zeigt sich in seinen Berichten über den Ausbruch der Cholera im Jahre 1832:
"Ich darf nicht unerwähnt lassen, daß er, der Bürgerkönig, bei dem allgemeinen Unglücke viel Geld für die armen Bürger hergegeben und sich bürgerlich mitfühlend und edel benommen hat. - Da ich mal im Zuge bin, will ich auch den Erzbischof von Paris loben, welcher ebenfalls im Hôtel-Dieu, nachdem der Kronprinz und Périer dort ihren Besuch abgestattet, die Kranken zu trösten kam. Er hatte längst prophezeit, daß Gott die Cholera als Strafgericht schicken werde, um ein Volk zu züchtigen, 'welches den allerchristlichsten König fortgejagt und das katholische Religionsprivilegium in der Charte abgeschafft hat'. Jetzt, wo der Zorn Gottes die Sünder heimsucht, will Herr von Quelen sein Gebet zum Himmel schicken und Gnade erflehen, wenigstens für die Unschuldigen; denn es sterben auch viele Karlisten. Außerdem hat Herr von Quelen, der Erzbischof, sein Schloß Conflans angeboten zur Errichtung eines Hospitals.

Heinrich Heine

Die Regierung hat aber dieses Anerbieten abgelehnt, da dieses Schloß in wüstem, zerstörtem Zustande ist und die Reparaturen zuviel kosten würden. Außerdem hatte der Erzbischof verlangt, daß man ihm in diesem Hospital freie Hand lassen müsse. Man durfte aber die Seelen der armen Kranken, deren Leiber schon an einem schrecklichen Übel litten, nicht den quälenden Rettungsversuchen aussetzen, die der Erzbischof und seine geistlichen Gehülfen beabsichtigten; man wollte die verstockten Revolutionssünder lieber ohne Mahnung an ewige Verdammnis und Höllenqual, ohne Beicht und Ölung, an der bloßen Cholera sterben lassen. Obgleich man behauptet, daß der Katholizismus eine passende Religion sei für so unglückliche Zeiten wie die jetzigen, so wollen doch die Franzosen sich nicht mehr dazu bequemen, aus Furcht, sie würden diese Krankheitsreligion alsdann auch in glücklichen Tagen behalten müssen." Quelle: Heinrich Heine: Französische Zustände, Artikel VI. Paris 1832.

Morgen bei aphilia: Das Weberlied