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Der Jenaer Kreis war der Versuch, so etwas wie eine Manifestierung des neuen poetischen, künstlerischen und philosophischen Bewusstseins zu erreichen. Hier trafen sich die jungen Geister der Romantik mit den etablierten Klassikern. Schiller kam 1794 an die Saale, 1796 kam das Ehepaar August und Caroline Schlegel, Goethe 1799. An der Universität lehrten Fichte und Schelling. Schließlich folgten auch Tieck. Jena wurde zum Zentrum der Dichter und Denker. Es bildeten sich Freundes- und Gesprächskreise, und die Brüder Schlegel veröffentlichten eine eigene romantische Zeitschrift, das Athenäum. In diesem veröffentlichte Novalis im Jahre 1800 seine Hymnen an die Nacht. In den romantischen Zirkeln bildeten sich auch kleine Hausgemeinschaften, und ihre Probleme waren sie durchaus mit denen der Kommunen der 1968er vergleichbar. Sie mochten sich, sie schmähten sich, und sie vollzogen eine kurze Phase der Grenzüberschreitung in Liebesangelegenheiten. Der Jenaer Kreis war aber nur von kurzer Dauer. 1801 starb Novalis in seinem Elternaus in Weißenfels. Tieck wurde widmete sich zunehmend Polemiken und Schlegel hatte Italienpläne. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, verbirgt sich hinter den süßlichen Versen der romantischen Dichter eine ernsthafte Kritik an wissenschaftlicher Methodik und dem Zugriff des allzu Rationalen auf die menschliche Seele. Das folgende Gedicht hat an Aussagekraft bis heute nichts eingebüßt - als romantisches Korrektiv zur Empirie- und Statistikgläubigkeit des Wissenschaftsbetriebs im Jahre 2009.
Wenn nicht mehr Zahlen und
Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die so singen, oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen
Wenn sich die Welt ins freie Leben,
Und in die Welt wird zurückbegeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit wieder gatten
Und man in Märchen und Gedichten,
erkennt die wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt von Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort
(aus dem zweiten, unvollendet gebliebenen Teil von Novalis´
Heinrich von Ofterdingen)
Das Wörtchen Poesie
stammt aus dem
Altgriechischen und bedeutete nicht nur im literarischen
Sinne "Verdichtung". Die Romantiker nahemn diese
Urbedeutung
auf und suchten, das Wesentliche, das Verdichtete des Lebens in Sprache
zu übertragen. Das künstlerische Sendungsbewusstsein
war
enorm. Das Leben sollte zunächst von der Welt abgesondert und
zu
reiner Form "verdichtet" werden und dann in die Welt
zurückströmen.als Form dienet der Roman, aber auch
das
Fragment. Das Athenäum, "Zentralorgan des romantischen
Bewusstseins", sollte die Welt widerspiegeln.
Als Projektionsfläche diente den Romantikern die Idealisierung
vergangener Welten, wie die griechischen Antike und das christliche
Mittelalter. Innerhalb des Jenaer Kreises zeichneten sich bald
unterschiedliche Strömungen heraus. Tieck mochte auch "Scherz
und
Satire" in die romantische Bewegung integrieren, und
gründete eine eigene, neue Zeitschrift, das Poetische
Journal.