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Wer unter dieser Überschrift
die Darstellung erotischer Ausschweifungen erwartet, wird leider
enttäuscht werden. Im Gegenteil, denn die Epikureer
praktizierten gerade nicht die zügellose Hingabe, sondern die
von der Einsicht (Phronesis) kontrollierte Lust. Nicht die Extase,
sondern der Gleichmut der Seele und die Freiheit von Schmerz ist das
Ziel der epikureischen Lebensgemeinschaft. Das zehnte Buch des
Biographen Diogenes Laertios dokumentierte Epikurs Lustbegriff im
seinem "Brief an Menoikeus":
"Darum nennen wir auch die Lust Anfang
und Ende des
seligen Lebens. Denn sie haben wir als das erste und angeborene Gut
erkannt, von ihr aus beginnen wir mit allem Wählen und Meiden,
und auf
sie greifen wir zurück, indem wir mit der Empfindung als
Maßstab jedes
Gut beurteilen. Und eben weil sie das erste und angebotene Gut ist,
darum wählen wir auch nicht jede Lust, sondern es kommt vor,
daß wir
über viele Lustempfindungen hinweggehen, wenn sich
für uns aus ihnen
ein Übermaß an Lästigem ergibt. Wir ziehen
auch viele Schmerzen
Lustempfindungen vor, wenn uns auf das lange dauernde Ertragen der
Schmerzen eine größere Lust nachfolgt. Jede Lust
also, da sie eine uns
angemessene Natur hat, ist ein Gut, aber nicht jede ist zu
wählen; wie
auch jeder Schmerz ein Übel ist, aber nicht jeder
muß natürlicherweise
immer zu fliehen sein.
Durch wechselseitiges Abmessen und durch die Beachtung des Zuträglichen und Abträglichen vermag man dies alles zu beurteilen. Denn zu gewissen Zeiten gehen wir mit dem Gut um wie mit einem Übel und mit dem Übel wiederum wie mit einem Gute.
Wir halten auch die Selbstgenügsamkeit für ein großes Gut, nicht um uns in jedem Falle mit Wenigem zu begnügen, sondern damit wir, wenn wir das Viele nicht haben, mit dem Wenigen auskommen, in der echten Überzeugung, daß jene den Überfluß am süßesten genießen, die seiner am wenigsten bedürfen, und daß alles Naturgemäße leicht, das Sinnlose aber schwer zu beschaffen ist, und daß bescheidene Suppen ebensoviel Lust erzeugen wie ein üppiges Mahl, sowie einmal aller schmerzende Mangel beseitigt ist, und daß Wasser und Brot die höchste Lust zu verschaffen vermögen, wenn einer sie aus Bedürfnis zu sich nimmt. Sich also zu gewöhnen an einfaches und nicht kostspieliges Essen verschafft nicht nur volle Gesundheit, sondern macht den Menschen auch unbeschwert gegenüber den notwendigen Verrichtungen des Lebens, bringt uns in eine zufriedenere Verfassung, wenn wir in Abständen uns einmal an eine kostbare Tafel begeben, und erzeugt Furchtlosigkeit vor den Wechselfällen des Zufalls.
Wenn wir also sagen, daß die Lust das Lebensziel sei, so meinen wir nicht die Lüste der Wüstlinge und das bloße Genießen, wie einige aus Unkenntnis und weil sie mit uns nicht übereinstimmen oder weil sie uns mißverstehen, meinen, sondern wir verstehen darunter, weder Schmerz im Körper noch Beunruhigung in der Seele zu empfinden. Denn nicht Trinkgelage und ununterbrochenes Schwärmen und nicht Genuß von Knaben und Frauen und von Fischen und allem anderen, was ein reichbesetzter Tisch bietet, erzeugt das lustvolle Leben, sondern die nüchterne Überlegung, die die Ursachen für alles Wählen und Meiden erforscht und die leeren Meinungen austreibt, aus denen die schlimmste Verwirrung der Seele entsteht."
Epikur tritt dafür ein, die
Furcht vor den Göttern zu überwinden - eine Haltung,
die zwei Jahrtausende später als Materialismus
bezeichnet wird. Was ihn von den modernen Materialisten unterscheidet,
ist aber die Geringschätzung der irdischen Güter.
Entbehrung ist ihm wichtiger als Besitz:
"Reich
ist nicht durch das, was man besitzt, sondern mehr noch durch das, was
man mit Würde zu entbehren weiß."
Die
Anhänger eines marxistischen Materialismus hätten im
Garten Epikurs wohl wenig Freude, denn der Erwerb und die gerechte
Verteilung von Besitz standen nicht im Zentrum der epikureischen
Ethik. Freilich musste auch der Garten finanziell unterhalten werden,
der nach Angaben eines antiken Autors ebenso wie die
Akademie Platons und das Lykeion des Aristoteles über
eine eigene Bibliothek verfügte. Epikur hatte Sklaven in
seiner
Schülerschaft, die wohl kaum finanzielle Mittel beisteuern
konnten. Dafür pflegte er ein freundschaftliches Netzwerk,
dass den Garten mit Zuwendungen unterstützte.