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Im düstern Auge keine
Träne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir
gebeten
In Winterskälte und Hungersnöten;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt -
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem König, dem
König
der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpresst,
Und uns wie Hunde erschiessen lässt -
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!
Das Schifflein fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht -
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!
Die fünfzeiligen Strophen sind nach dem Reimschema AABBC aufgebaut. Die Einleitung verweist auf die drei folgenden Strophen gegen Gott, König und Vaterland. Die letzte Strophe knüpft wieder an die erste an. Hintergrund des Gedichtes sind die sich im Zuge der industriellen Revolution verschlechternden Lebensbedingungen der Weber in Schlesien. Die Fabriken führen zu immer schlechteren Arbeitsbedingungenbedingungen und viele Weber, die in Heimarbeit tätig sind, verlieren ihre materielle Grundlage. Die jeweils letzte Zeile wir weben drückt ebenso Hoffnung wie Verzweiflung aus. Die Weber fühlen sich im Stich gelassen.
Weberaufstände hatte
es in der
frühindustriellen Zeit schon öfters gegeben, z. B.
1928 in
Krefeld, aber der schlesische Aufstand entwickelte eine eigene Dynamik
und wurde so zum Symbol der Arbeiterbewegung.
Für die Verelendung der Weber spielen die Folgen des
technischen Fortschritts die entscheidende Rolle: Die Weber
arbeiteten in Deutschland in der
Regel am heimischen Webstuhl. Bedingt durch die
Einführung
des mechanischen Webstuhls
in England kommen aber nun immer billigere Produkte ins Land. Die
deutschen
Produzenten versuchen zunächst, den Preisverfall durch
Kinderarbeit und
längere Arbeitszeit zu kompensieren, aber die
zusätzlichen Anstrengungen können den Preisverfall
nicht ausgleichen. Die fertigen Tuche, die
von Großhändlern, damals Verleger genannt,
abgenommen wurden, ernähren die Familien nicht mehr. Der Zorn
richtet sich im niederschlesischen Peterswaldau gegen die
Gebrüder Zwanziger, zu deren Anwesen sich am 4. Juni 1844 ein
Protestzug formiert.
Nach dem Ablehnen von Verhandlungen seitens der Gebrüder Zwanziger wird ihr Haus gestürmt, und Firmenbücher und Maschinen vernichtet. Am nächsten Tag haben die Aufrührer eine Fabrik in Langenbielau im Visier, die aber noch relativ rentabel wirtschaftet. Die Arbeiter verteidigen ihre Maschinen gegen die wütende Menge. Dennoch gab es einen beträchtlichen Schaden in der Fabrik und den dort gelagerten Waren. Schließlich wird das preußische Militär zu Hilfe gerufen, doch der Einsatz misslingt. Als zur Beruhigung der Menge vor dem Haus des Fabrikbesitzers Geld und Nahrungsmittel verteilt werden und die Menschen zusammenströmen, schätzt der Befehlshaber die Situation völlig falsch ein.
Als er in die Menge schießen lässt, richtet er ein Blutbad an, bei dem 11 Menschen sterben und viele schwer verwundet werden. Die Einheiten weichen anschließend zurück und fordern Verstärkungstruppen. In der Nacht zum 6. Juni rücken weitere Soldaten an und schlagen den Aufstand endgültig nieder. Ungefähr 100 Weber werden festgenommen und zu Zuchthaus, Festungshaft und Peitschenhieben verurteilt. Manche der Verurteilten fassen ihr Schicksal mit Ironie, müssen sie doch im Gefängnis wenigstens keinen Hunger erleiden.