ARCHÄOLOGIE
TEIL 2

VON 8
Griechische Töpferkunst (2): Die Herstellung griechischer Tongefäße 
Einleitung | Herstellung | Der Brand | Gefäßformen
Im Haushalt | Verzierungstechniken | Die Keramiker | Weihegeschenk

Die Herstellung

Dem heutigen Betrachter fällt beim Besuch einer antiken Vasensammlung sofort auf, dass der antike Kerameus sowohl über handwerkliche als auch künstlerische Begabung verfügte. Aber nach einigen Minuten von Erstaunen und Bewunderung kommt die entscheidende Frage: Wie haben die Griechen diese Vasen hergestellt? Wie war es bloß möglich, in jener Zeit solch eine handwerkliche Qualität zu erreichen? Die sind die am häufigsten gestellten Fragen während einer Museumsführung.
Damit kommen wir zum Thema Herstellungstechnik. Die literarischen Quellen zum Thema sind leider recht wortkarg. Dies liegt nicht zuletzt an der sozialen Stellung des antiken Töpfers (siehe Kurs Nr. 6: ZUR SOZIALEN STELLUNG DES KERAMIKERS). Sowohl das Töpferhandwerk, als auch sein Hauptakteur, der Töpfer, fanden in der antiken Gesellschaft, ein nicht so großes Gegeninteresse bzw. eine nicht so große Achtung, wie man heute gemeinhin annimmt. Für die Athener waren handwerkliche Tätigkeiten kaum verlockend. Dagegen werfen archäologische Zeugnisse mehr Licht zur Herstellungstechnik: Zu erwähnen sind einerseits die Darstellung von Töpfereien und Töpfern auf Vasen andererseits die Reste antiker Töpferöfen und Töpferscheiben. Die ältesten archäologischen Belege zu diesem Thema stammen aus den Weihgaben korinthischer Töpfer in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr.: Es handelt sich um Tontäfelchen mit Darstellungen von Töpferwerkstätten. Zur Entschlüsselung der Arbeitsprozesse wird dabei auch das heutige Wissen der Töpferkunst einbezogen.

Der richtige Ton

Als wichtigste Komponente der Töpferkunst zeigt sich die Qualität des Tons. Sie ist entscheidend für die Qualität des Gefäßes und wirkt sich auch auf die Verarbeitungsmöglichkeiten aus: Je gröber der Ton, desto höher das Risiko, dass dem Töpfer das Arbeitsergebnis sowohl an der Töpferscheibe als auch beim Brand misslingt. Außerdem benötigen Gefäße mit sehr dünnen Seiten (ωοκέλυφα nennen sie die griechischen Archäologinnen und Archäologen) eine sehr feine Tonqualität. Unter „guter Qualität des Tons“ sind seine Feinheit und seine Plastizität zu verstehen.
So beginnt der ganze keramische Arbeitsprozess mit dem Abbauen des Tons. Ursprünglich gehörte das Abbauen bzw. Stechen des Tons zu den Aufgaben des Töpfers. Allerdings nahmen in den späteren Zeiten wegen der großen Spezialisierung des keramischen Gewerbes eigene Tonstecher die Gewinnung und Aufbereitung des Tons vor. Der Ton wurde in äußerst großer Tiefe mit Hacken – das Werkzeug ist uns bildlich dank einer Darstellung auf einem korinthischen Tontäfelchen belegt – abgebaut. Der gewonnene Ton enthält viele Fremdkörper wie große oder kleine Steine, Wurzeln und grobe Partikel, von denen er befreit werden muss. Dies erfolgt durch das „Schlämmen“ des Tons. Damit kommen wir zur nächsten Station des Prozesses: In großen Anlagen werden die Tonmassen unter Wasser gesetzt, so dass die schweren Teile zu Boden sinken und die leichteren in die Oberfläche kommen. Den feinen in der Mitte stehenden Tonschlamm lässt man in ein großes Becken abfließen. Nach Verdunstung des Wassers wird der halbfeuchte Ton für eine längere Zeit zu Gunsten seiner Bildsamkeit in einem feuchten Ort abgelagert, um zu „altern“. Je älter der Ton, umso bildsamer wird er. Schließlich kommen wir zum letzten Stadium vor der Verarbeitung des Tons an der Töpferscheibe, nämlich zum Kneten des Tons und zwar mit den Füßen, wie es heute noch in ländlichen Töpfereien praktiziert wird. Dadurch wird der Ton deutlich geschmeidiger.
Der attische Ton hebt sich von den anderen im antiken Griechenland vorhandenen Tonarten deutlich durch seine an Eisenoxyden reiche Beschaffenheit ab, die ihm eine besonders glänzende rötliche Farbe verleiht, wahrend der korinthische Ton (Abb. 1) eher eine helle, gelblich-grüne Farbe aufweist. In diesem Sinne dürfen heute Archäologinnen und Archäologen noch ein praktisches Indiz in Anspruch nehmen, wenn in einer Ausgrabung die Frage nach der Herkunft eines Gefäßes oder sogar einer Scherbe kommt. Neben Formgebung und Bemalung ist auch das Aussehen des Tons von Bedeutung. Solche Kleinigkeiten gehören zu Geheimnissen des Berufes und erweisen sich für das Fachpublikum nicht selten als letzte Rettung.

Die Töpferscheibe

Bild 4
Abb 1: Korinthisches Aryballos
 (580-560 v. Chr.)

Durch Treten und Kneten gelang es dem Töpfer, den Ton für die auf der Töpferscheibe zu drehenden Gefäßen bildsam zu machen. Die Töpferscheibe ist seit der 3. Jahrtausend im griechischen Raum bekannt, doch bis in die archaische Zeit wurden in manchen Orten Griechenlands handgeformte Keramikwaren produziert, indem man Tonringe übereinander stellte und zusammenformte. Die Erfindung der Scheibe erleichterte einerseits beträchtlich das Handwerk des Töpfers, da ein Gefäß nun äußerst schnell getöpfert werden konnte. Andererseits verbesserte die Scheibe die Qualität seiner Produkte, da die Gefäße, im Vergleich zu jenen mit freier Hand geformten, deutlich ebenmäßiger wurden.
Töpferscheiben waren aus Holz, Stein oder gebranntem Ton. Die ganze Konstruktion bestand aus zwei Teilen: Scheibe und Untergestell. Man hielt die Scheibe mit der Hand in Schwung. An ihrer Unterseite saß in der Mitte ein innen ausgehöhlter Führungszylinder. Dieser nahm die im Boden gefestigte Achse auf. Bei hoher Lagerung der Scheibe saß die Spurpfanne direkt unter der Scheibe; bei tiefer Lagerung war die Achse mit der Scheibe fest verbunden und drehte sich in der im Boden befindlichen Spurpfanne. Beim Drehen kleiner Gefäße brachte der Töpfer selber die Scheibe in Schwung. Dagegen war er bei Drehen größerer Gefäße auf die Hilfe einer zweiten Person angewiesen. Weist die Scheibe seitlich ein Loch auf – wie uns ein Fundbeleg des 7. Jh. v. Chr. aus der Insel Kreta bezeugt – dann deutet dies darauf hin, dass es sich bei dem Besitzer um einen Wandertöpfer handelte. Er führte das unentbehrliche Werkzeug seiner Kunst bei jedem Anlass mit.
Die Gefäße werden, besonders die größeren, nach Teilen (oben und unten) auf der Scheibe heruntergedreht und zusammengesetzt. Nach dem Drehen lässt man sie für einen Zeitraum austrocknen, bis sie steif (lederhart) werden, damit der Töpfer auf die Feinarbeit, das sogenannte „Abdrehen“, eingehen kann: Auf der langsam drehenden Scheibe wird das lederharte Gefäß am Fuß und an der Mündung mit scharfen Profilen versehen. Dies sind Prozesse, die ein hohes handwerkliches Können erfordern. So strebte der Töpfer beim Abdrehen Präzision und Vielfalt an. Daran ist der Ehrgeiz eines Töpfers abzulesen. Diesem Arbeitsgang folgte das Ansetzen von Henkeln, Knäufen oder Reliefappliken. Gesonderte Formungen von engen Gefäßhälsen und bestimmte Formen des Gefäßfußes mussten auch extra angesetzt werden. Das Zusammensetzen verschiedener Gefäßteile erfolgt durch feuchten Tonschlick. Der Vorgang an der Töpferscheibe schließt mit dem Glätten des Gefäßes durch einen feuchten Lederlappen ab. In diesem lederharten Zustand durfte man nun mit der Bemalung beginnen.

Morgen bei aphilia: Der Brand griechischer Tongefäße