PSYCHOLOGIE
TEIL 4

VON 5
Die Humanistische Psychologie (4): Der Dialog
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Das Dialogprinzip Martin Bubers

Humanistische Psychologie
Ausgangspunkt der Humanistischen Psychologie ist die
Erkennung des Selbst.

Der jüdische Religionsphilosoph und Publizist Martin Buber bemühte sich besonders um eine Wiederaufnahme der Gespräche zwischen Tätern und Opfern nach dem zweiten Weltkrieg, und ebenso um eine Annäherung zwischen Arabern und Juden. Der Humanistischen Psychologie und insbesondere der Gesprächstherapie liefert er Impulse zu einer reflektierten Gesprächsführung zwischen Therapeut und Patient. Buber unterscheidet zwei grundsätzliche Dialogformen, die er ICH-ES-Beziehung und ICH-DU-Beziehung nennt.

Die ICH - ES - Beziehung

Der Begriff der ICH-ES-Beziehung spiegelt die gewöhnliche Beziehung des Menschen zu den Dingen wider. hier beschränkt sich der Mensch kühl, und distanziert auf eine bestimmte Funktion seines Gegenüber. Wer etwa ein Ticket für die U-Bahn an einem Schalter löst, sieht den Verkäufer nicht in erster Linie als Dialogpartner, als ganzheitliches menschliches Wesen, sondern als selbstverständlichen Teil der städtischen Umwelt. Der Kontakt zwischen Mensch und Mensch reduziert sich auf den Betriebsablauf.

Die ICH - DU - Beziehung

Martin Buber
Seelische Störungen

Seelische Störungen werden nach Sichtweise der Humanistischen Psychologie dadurch ausgelöst, dass der Patient die Erfahrungen seines Lebens tabuisiert. Er bewertet seine Ängste, Gefühle und Sehnsüchte nicht in angemessener Form und erkennt nicht die eigentlichen Ursachen seiner seelischen Not. Falls es dem Therapeuten gelingt, Brüche und Widersprüche im Leben des Patienten aufzuzeigen, kann dieser selbst mit der Verarbeitung  beginnen. Die Aufgabe des Therapeuten ist es, die Kräfte der Selbstheilung zu aktivieren.

Die ICH-DU-Beziehung hingegen geht der Mensch mit seinem innersten und gesamten Wesen ein. In einem echten Dialog verbindet dies beide Partner. Für Buber ist aber die Begegnung mit dem anderen Menschen (oder auch mit seiner Umwelt, der er ebenso in einer Ich-Du-Beziehung begegnen kann) nur ein Abglanz der Begegnung des Menschen mit Gott. Das Wesen der biblischen Religion besteht für Buber darin, daß - ungeachtet des unendlichen Abgrunds zwischen beiden - ein Gespräch zwischen Mensch und Gott möglich ist.

Die Adaption Martin Bubers durch die Psychotherapie

Carl Ransom Rogers, eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Humanistischen Psychologie, trifft am 18. April 1957 in Ann Arbor im US-Bundesstaat Michigan mit Martin Buber zusammen. Das Treffen erweist sich als äußerst fruchtbar, denn Rogers übernimmt die Ideen Bubers in seinen therapeutischen Ansatz. Wie Buber stellt auch Rogers die bestehenden Autoritäten in Frage, und er möchte seine Ideen über die Psychotherapie hinaus verwirklichen. Er sucht den Zugang zur Pädagogik und zu sozialen Gruppen. Rogers macht sich sogar für den Aufbau einer freie Universität stark, kehrt mit dem Abflauen des Bildungsoptimismus der dann aber doch zu seinem Kerngebiet der Psychotherapie zurück. Im Sinne Bubers betont er darin die Wichtigkeit von Empathie (Einfühlungsvermögen), Kongruenz (Gleichrangigkeit) und Wertschätzung. Sie sind die Grundbausteine jeder lebendigen menschlichen Begegnung, sowohl in der Psychotherapie wie auch im gesamten Bildungsbereich und generell im menschlichen Leben. Das Menschsein bleibt in der Humanistischen Psychologie ein unveräußerlicher Einzelwert.

Morgen bei aphilia: Therapie und Zen